Bündnis für ein Rettungsschiff "Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt"

Flüchtlinsgbeauftragte der Nordkirche, Dietlind Jochims

Wenn die Million rechtzeitig zusammenkommt, könnte es bald schon losgehen: "United4Rescue" sammelt seit Dezember 2019 Spenden, mit denen es ein eigenes Rettungsschiff kaufen und aufs Mittelmeer schicken möchte. Das Bündnis aus kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter auch die Nordkirche, geht auf eine Initiative der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zurück. Flüchtlingsbeauftragte Dietlind Jochims beantwortet für uns die wichtigsten Fragen. 

Die Nordkirche hat sich „United4Rescue“ angeschlossen: Was macht das Projekt zu einer unterstützungswerten Initiative?
Dietlind Jochims:
 Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt.

Dass sich mehrere Organisationen, davon ein Großteil aus der evangelischen Kirche, zusammentun, um Spenden für ein Schiff zur Seenotrettung zu kaufen: Ein Projekt dieser Art gab es bisher noch nicht...
Jochims: Meines Wissens nicht. "United4Rescue" zeigt: Menschenleben retten, Barmherzigkeit leben und sich für die Würde und Rechte jedes einzelnen Menschen einsetzen – das muss gesamtgesellschaftlich verteidigt werden. Die Bandbreite der Unterstützenden und Förderer ist groß: Von der EKD bis zur Kirchengemeinde, vom FC St. Pauli über den Deutschen Gewerkschaftsbund oder sogar Musikakademien und Pflanzenmärkte sind viele mit dabei. Das macht Mut. Und ist gleichzeitig Mahnung an die Politik: Wir übernehmen hier eure Aufgabe und Verpflichtung!

Wieso ein eigenes Schiff und nicht die Unterstützung bestehender Strukturen?
Jochims: 
Das ist kein Widerspruch: Mit einem zusätzlichen Schiff werden die bestehenden Strukturen gestärkt. Und umgekehrt genauso: Die bestehenden Strukturen der zivilen Seenotrettung sind dabei und unterstützen, wenn es um den Einsatz dieses Schiffes geht. "Sea Watch" wird das Schiff betreiben.

Als Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche begleiten Sie das Projekt teilweise: Welche Eindrücke haben Sie bisher gewonnen?
Jochims:
 Für den „großen Tanker“ EKD ist "United4Rescue" ein sehr zügig vorangehendes Vorhaben. Seit der Kirchentagsresolution im Juni 2019 ist viel geschehen. Neben den Schritten hin zur konkreten Umsetzung gab es viele – meist sehr ermutigende, aber auch kritische Diskussionen. Die brauchen wir: In Kirche, Gesellschaft und Politik.

Welche weiteren Maßnahmen im Bereich Seenotrettung sind Ihrer Meinung nach wichtig?
Jochims:
Seenotrettung ist originär staatliche Aufgabe. Das anhaltende Versagen der europäischen Staaten muss dringend aufhören und eine staatliche Seenotrettung muss beschlossen und umgesetzt werden. Die zivilgesellschaftlich organisierte Seenotrettung auch noch zu behindern und die Lebensretter zu kriminalisieren muss umgehend eingestellt werden. Und natürlich muss – ebenfalls europäisch – ein Verteilmechanismus gefunden werden, der die Mittelmeeranrainer entlastet, die Bedürfnisse der Geflüchteten berücksichtigt und für alle Beteiligten möglichst fair ist. Für die Bereitschaft von Kommunen, zusätzliche Geflüchtete aufzunehmen, müssen rechtliche Möglichkeiten geschaffen werden.

Es hieß, wenn alles gut geht, könnte das Schiff Ostern 2020 in See stechen. Stimmt der Zeitplan noch bzw. geht das Projekt erwartungsgemäß voran?
Jochims: 
Wenn es gelingt, das ins Auge gefasste Schiff Ende Januar zu erwerben, dann ist der Zeitplan ehrgeizig, aber machbar.

Rechnen Sie angesichts der aktuellen Lage im Nahen Osten mit dem Ankommen weitere Flüchtlinge?
Jochims: Solange Menschen in ihrer Heimat nicht sicher leben können, wird es Flüchtlinge geben. Nur wenige aber fliehen nach Europa. Da außerdem die Abschottungen nach und innerhalb Europas vorangetrieben werden, werden selbst von denen, die sich hier Schutz und Sicherheit erhoffen, nur wenige ankommen.