Interview mit Dr. Ulrike Murmann Was macht eine Pröpstin eigentlich?


Pröpst*in, Vikar*in, Diakon*in – auf diese Amtsbezeichnungen trifft man in der Kirche. Doch was bedeuten sie genau und wer sind die Menschen, die diese Berufe ausüben? Unsere Autorin Deliah Cavalli-Ritterhoff trifft sich zum Gespräch mit ihnen. Pröpstin Dr. Ulrike Murmann vom Kirchenkreis Hamburg-Ost macht den Start.

Frau Dr. Murmann, Sie sind Pröpstin. Wahrscheinlich können nicht viele Hamburger*innen mit dieser Bezeichnung etwas anfangen…
Das ist ein Titel – eine Amtsbezeichnung – in der evangelischen Kirche. Pastor*innen arbeiten in den Gemeinden und Einrichtungen, Pröpst*innen im Kirchenkreis, der mehrere Gemeinden miteinander verbindet, und darüber gibt es die Bischöf*innen, die in einem Sprengel tätig sind. Man kann also sagen, eine Pröpst*in vertritt die mittlere kirchliche Leitungsebene.

Und was macht eine Pröpstin so?
Zusammen mit sechs weiteren Pröpst*innen, dem Kirchenkreisrat und der Synode leite ich den Kirchenkreis Hamburg-Ost. In meiner Propstei – das ist ein Zusammenschluss von verschiedenen Gemeinden – bin ich Dienstvorgesetzte für Pastor*innen und ich habe die Funktionsverantwortung für einen Arbeitsbereich. Außerdem repräsentieren wir als Pröpst*innen die Kirche nach außen.

Besondere Freude bereitet mir die persönliche Begleitung der Pastor*innen in den Gemeinden. Einmal im Monat lade ich sie zu einem Konvent ein und wir diskutieren über aktuelle oder auch theologisch-grundsätzliche Themen. Wir beraten zum Beispiel, wie und wo wir uns als Kirche in Hamburg seelsorgerlich, diakonisch, politisch oder kulturell engagieren wollen.

Ist Ihr Beruf denn „Berufung“?
In das Amt einer Pröpst*in wird man von der Synode gewählt. Von Berufung würde ich eher im Blick auf den Pastor*innen-Beruf sprechen. Dazu fühle ich mich aus dem Glauben heraus berufen. Mich hat die Kombination der beiden Ämter – Pröpstin und Hauptpastorin an St. Katharinen – besonders interessiert.

Sie sind für 20 Kirchengemeinden verantwortlich. Mit welchen Herausforderungen sind Sie konfrontiert?
Die Herausforderungen im Moment sind vor allem finanzieller Art. Die Synode hat beschlossen, 30 Prozent unserer kirchlichen Gebäude abzubauen. Wir wollen unsere finanziellen Mittel stärker in die Beschäftigung von Mitarbeitenden als in den Erhalt von Gebäuden stecken. Das ist ein intensiver und auch nicht immer konfliktfreier Prozess, weil sich Kirchengemeinden verständlicherweise sehr schwer damit tun, sich von einer Kirche zu verabschieden. Eine weitere Herausforderung der Kirchengemeinden ist, dass wir Pfarrstellen abbauen müssen. Das bedeutet, wir müssen nach neuen Wegen der Zusammenarbeit und der Arbeitsaufteilung suchen. In diesen Zeiten, in denen der Veränderungsdruck so gewaltig ist, kommt man nicht immer einfach zu Lösungen.

Die ev.-luth. Kirche in Hamburg verliert Jahr für Jahr Mitglieder… Wie ist das für Sie?
Das schmerzt richtig! Das Bittere ist, dass die Mitgliederzahl zurückgeht, obwohl wir – wie ich finde – sehr gute und engagierte Arbeit tun. Ich habe da den Vergleich von zwei Gemeinden. Die eine ist sehr aktiv im Quartier und innovativ auch im Blick auf musikalische Formate. Die Nachbargemeinde ist eher traditionell unterwegs. Aber prozentual sinkt die Mitgliederzahl bei beiden gleich. Die Gründe für den Verlust von Mitgliedern sind also sehr komplex und haben weniger mit unserem aktiven Tun vor Ort zu tun. Dennoch ist es wichtig, dass wir uns auch an die Menschen wenden, die uns verlassen haben oder verlassen wollen, und sie nach ihren Bedürfnissen fragen.

Wie bleiben Sie angesichts dieser Entwicklungen hoffnungsvoll und motivieren Mitarbeitende?
Dabei helfen mir schöne Gottesdienste, gelingende seelsorgerliche Begegnungen und solche Erlebnisse wie eine Nacht der Kirchen oder das große Elbtauffest letztes Jahr. Mit dieser Aktion konnten wir Menschen erreichen, die ihr Kind sonst nicht getauft hätten. Und es hat uns nochmals die Augen dafür geöffnet, dass wir ganz andere Formen des Rausgehens und des Hingehens zu den Menschen entwickeln müssen, damit sie unsere wunderbaren Rituale kennenlernen.

Und welche Rolle spielt ihr persönliches Glaubensleben?
Ich nehme mir täglich Zeit für Gebet und Meditation, denke über meine Beziehung zu Gott nach und frage mich, was zu tun ist. Ohne dieses persönliche Glaubensleben könnte ich mein Amt nicht ausüben. Das ist das Fundament, auf dem ich stehe und das mir Kraft und Zuversicht gibt.  

Haben Sie eine Vision, einen Traum für die Kirche in Hamburg?
Mein Traum ist, dass wir auch an den wenigen Orten, die wir zukünftig halten können, lebendige Gemeinde sind und uns einbringen in die Stadt-Gesellschaft. Ihr seid das Salz der Erde, sagt Jesus. Vom Salz braucht es nicht viel, damit etwas würzig wird. Auch wenn wir nicht mehr Volkskirche in dem Sinne sind, dass wir die Mehrheit der deutschen Bevölkerung abbilden, sondern wenn wir in Hamburg eine Minderheitenkirche werden, so können wir trotzdem mit der Würze eines Salzkorns Einfluss nehmen – und zu Frieden und Versöhnung in dieser Stadt beitragen.

Vielen Dank für das Gespräch!