Weltweit wächst der Kleiderkonsum ungebrochen: Waren es im Jahr 2000 noch rund 50 Milliarden verkaufte Kleidungsstücke, sind es inzwischen über 100 Milliarden. Immer mehr Kleidung wird immer schneller und günstiger hergestellt – schnelle Mode eben. Manche Fast-Fashion-Marken wie ZARA bringen beinahe wöchentlich neue Kollektionen auf den Markt.
Löhne reichen nicht zum Leben
„Wir haben eine Branche, die einfach zu wenig bezahlt“, sagt Diana Sanabria, Referentin für Weltwirtschaft beim ZMÖ. „Für ein T-Shirt, das bei uns 29 Euro kostet, bekommt eine Näherin in Südostasien gerade mal 18 Cent.“ Das Problem: Die gesetzlichen Mindestlöhne in den so genannten „Billiglohn-Ländern“ reichen nicht zum Leben. „Das ist ein Verstoß gegen ein internationales Menschenrecht!“, betont die Juristin.
Zudem sind die Arbeitsplätze der Näher*innen oft unsicher. „In Deutschland kann man sich gar nicht vorstellen, dass man bei der Arbeit sterben könnte, denn hier müssen Gebäude gewisse Mindestvoraussetzungen erfüllen“, erklärt Sanabria. „Doch das ist in vielen Ländern nicht der Fall.“ So kamen 2013 über 1.100 Textilarbeiter*innen beim Einsturz des Rana-Plaza-Fabrikgebäudes in Bangladesch um. Das daraus entstandene Abkommen für bessere Gebäudesicherheit („Bangladesh Accord“) ist inzwischen abgelaufen und durch ein Internationales Abkommen ersetzt worden, das jedoch von deutlich weniger Marken unterzeichnet wurde.
Viele Näher*innen – rund 80 Prozent sind Frauen – bekommen außerdem keine schriftlichen Arbeitsverträge, müssen willkürlich Überstunden leisten und können jederzeit fristlos gekündigt werden. „Ihre Schutzbedürftigkeit wird oft ausgenutzt“, berichtet Sanabria. „Und es kommt immer wieder zu sexueller und sexualisierter Gewalt Frauen gegenüber.“
Platz 2 der globalen Treibhausgas-Verursacher
Nicht nur Menschenrechte werden oftmals missachtet. „Die Textil- und Bekleidungsindustrie macht die Umwelt kaputt“, sagt Sanabria. „Sie ist für 10 Prozent der Treibhausgase weltweit verantwortlich und besetzt damit Platz 2 nach der Ölindustrie“. Zudem kommen für die Textil-Produktion viele gefährliche und giftige Chemikalien zum Einsatz und rund 10 Prozent des gesamten industriell genutzten Wassers geht auf das Konto der Mode-Industrie.
Für die Herstellung von Kunststofffasern wie Polyester verbrauchte die Mode-Industrie im Jahr 2015 ganze 98 Millionen Tonnen Erdöl. Wird Kunstfaserkleidung gewaschen, gelangen wiederum Mikrofasern (Mikroplastik) in die Ozeane. „Allein in Deutschland ist das in etwa so viel wie 3,3 Millionen Plastiktüten pro Woche“, sagt Sanabria. Und das Motto der Fast-Fashion-Industrie – kaufen, tragen, wegschmeißen – führt dazu, dass inzwischen 82 Prozent der „aussortierten“ Kleidung auf dem Restmüll landet.
Qualifizierung zum Slow Fashion Coach
„Fast-Fashion muss aufhören. Die Modeindustrie soll endlich die Kosten für den Müll und die Treibhausemmissionen, die sie produziert, übernehmen, Menschenrechte achten – und verantwortlichen Konsum fördern“, fordert Sanabria. Sie selbst engagiert sich u.a. für die Kampagne für Saubere Kleidung (international Clean Clothes Campaign) und die Initiative Lieferkettengesetz, die den Schutz von Menschenrechten in globalen Lieferketten verbessern will. „Unser Auftrag als Kirche ist es, uns für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einzusetzen“, ist Sanabria überzeugt. „An dieser Stelle wird das sehr konkret.“
Seit August bieten mehrere kirchliche Träger, darunter das ZMÖ, gemeinsam eine Qualifizierung zum Slow Fashion Coach in sechs ganztätigen Modulen an. Danach ist man befähigt, sein Wissen z.B. in Konfirmandengruppen auch an andere weiterzugeben. Für Sanabria ist Fast-Fashion längst keine Option mehr. „Ich verzichte gerne auf Fast-Fashion und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen. Deshalb kaufe ich zertifizierte Kleidung oder Second-Hand und frage mich immer: Brauche ich es wirklich oder will ich es nur?“
Alle Zahlen und Fakten stammen aus dem Dossier: Fast-Fashion: Eine Bilanz in 3 Teilen