Herr Wasserberg, können Sie uns sagen, warum wir am 31. Oktober arbeitsfrei haben?
Wasserberg: An diesem Tag begann das Reformationszeitalter an der Kirchentür in Wittenberg mit einem Hammerschlag. Ob Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Missbrauch der Ablasspraxis damals persönlich an die Tore der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen hat, das darf zu Recht bezweifelt werden; es wird wohl eher ein Bote der Universität gewesen sein, der Luthers Aufruf zu einem akademischen Streitgespräch über den Ablass – denn nichts anderes waren seine 95 Thesen – öffentlich bekannt machen sollte.
Ein Streitgespräch verändert die Welt?
Wasserberg: Viel entscheidender aber war Luthers Begleitbrief an seinen Bischof. Den hat er nachweislich zum ersten Mal in seinem Leben mit ‚Martin Luther’ unterzeichnet. Luther hieß eigentlich ‚Luder’, aber er hat seinen Namen gräzisiert, sprich: er hat ihn aus dem griechischen ‚eleutheros’ abgeleitet, was übersetzt heißt: der Befreite. Somit wurde aus Martin Luder ‚Martin Luther’, der Befreite. Seine Thesen gegen den Missbrauch der Buße durch den Ablass waren für ihn also ein Akt der Befreiung.
Und warum ist das bis heute wichtig?
Wasserberg: Glaube als Akt der Befreiung – das ist für mich bis heute ein bleibendes Vermächtnis der Reformation und weiterhin höchst aktuell: Menschen darin zu bestärken, ihren Glauben tolerant und lebensbejahend zu leben.
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Pastor Günter Wasserberg ist von der Nordkirche beauftragt worden, die Feiern im Reformationsjahr in Hamburg und Lübeck zu koordinieren. Für ihn ist der 31. Oktober der Höhepunkt dieser Beauftragung.
Weitere Artikel in dieser Reihe:
>> Jens-Martin Kruse, evangelisch-lutherischer Pastor in Rom
>> Frank Hofmann, Chefredakteur des Vereins Andere Zeiten
>> Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck