Hans Korndörfer, 63, sitzt im „Café Welcome“ im Bürgerzentrum BGZ Süderelbe nahe des S-Bahnhofs Neugraben. Die Frühlingssonne wirft gleißende Bahnen in den Raum. Der dient jeden Montagnachmittag als Treffpunkt für geflüchtete Menschen und ihre Nachbarn.
Seit rund einem Jahr koordiniert Korndörfer gemeinsam mit Gerhard Janke, Pastor an der Corneliusgemeinde in Fischbek, die Arbeit der Hilfsinitiative „Willkommen in Süderelbe“.
Er ist ein Profi-Ehrenamtlicher. Als seine vier Söhne noch zur Schule gingen engagierte er sich im Elternrat – auch auf Bundesebene. Sein Taxiunternehmen hat er inzwischen aufgegeben und chauffiert nun halbtags als Angestellter Fahrgäste. Seine neue Aufgabe sei sein zweiter Halbtagsjob, sagt er.
Die Zahl der Ehrenamtlichen hat sich verzehnfacht
Bereits das erste Treffen der Initiative organisierte er mit. Zwei Dutzend Interessierte kamen in das Gemeindehaus in Fischbek. Sie wollten sich einbringen, sprachen über ihre Ängste und Interessen und ließen sich von der kirchlichen Flüchtlingsbeauftragten Hannah Hosseini beraten. Man rechnete mit 250 Geflüchteten in einer ersten Folgeunterkunft.
Dann überschlugen sich die Ereignisse. Täglich kamen 100 Menschen allein in die Harburger Erstaufnahme. Ein stillgelegter Baumarkt an der Straße Am Aschenland in Fischbek wurde zur Erstunterkunft. Rund 700 Geflüchtete leben derzeit dort. Eine Not- und zwei Folgeunterkünfte wurden eingerichtet. Eine Großsiedlung für Geflüchtete ist geplant.
„Die Initiative explodierte“, sagt Korndörfer. 250 Menschen engagieren sich heute in verschiedenen Teams, insgesamt 900 „Follower“ beziehen den Newsletter der Initiative.
Missfallen bei manchen Bürgern erregt jedoch die geplante Großunterkunft. Die „Bürgerinitiative Neugraben Fischbek“ (BINF) gründete sich Ende vergangenen Jahres. Sie feierte es als ersten Erfolg, dass nunmehr statt 3.000 nur noch 1.500 geflüchtete Menschen auf einem Grundstück am Aschenland wohnen werden, das gerade erschlossen wird.
Kirchengemeinden laden zum Stadtteilforum
Aus Korndörfers Sicht macht es keinen Unterschied, ob man für 1.500 oder doppelt so viele Ankommende gute Lebens- und Arbeitsbedingungen schafft: „Die Anstrengung ist dieselbe.“ Hinzu kommt, dass sich Neugraben in den kommenden Jahren auch ohne Flüchtlinge stark verändern wird. Eine Siedlung für 7.000 Menschen ist im Bau, sie grenzt an die geplante Großunterkunft.
Also heißt es miteinander reden, zuhören, Begegnungen ermöglichen: Bewohner der Seniorenresidenz geben Deutschkurse, der TV Fischbek lädt Geflüchtete zum Training ein und bietet Seminare zur Konfliktprävention an.
Die evangelischen Kirchengemeinden in Hausbruch, Neugraben und Fischbek haben sich zusammengetan und veranstalten einmal im Monat ein Stadtteilforum. Dort beantworten Experten Fragen, finden Ängste Gehör.
Korndörfer schaut jedoch optimistisch in die Zukunft. Auch weil er sich noch gut an die Zeiten erinnert, als schon einmal Geflüchtete in einer Siedlung am Aschenland lebten – dort, wo heute ein neuer Recyclinghof Sperrmüll annimmt.
Ein Junge aus der Klasse seines jüngsten Sohnes sei nach dem ersten Schuljahr sitzengeblieben, weil er nicht genug Deutsch sprach, erzählt Korndörfer. Auch er habe das damals einfach hingenommen und schäme sich bis heute dafür. Aber ehrenamtliche Unterstützung habe es damals nicht gegeben, niemand, der dem Jungen beim Deutschlernen half: "Das ist heute zum Glück anders."