Wie eine Seifenkiste, sieht er auf dem ersten Blick aus. Unscheinbar für das, was dieses Gefährt kann. Der erste vollautonome Gießroboter Deutschlands kommt mit ein paar Schläuchen, einem Tank und Leuchten auf vier Rädern daher. Seit eineinhalb Jahren ist er im Einsatz auf dem Friedhof Rahlstedt. Friedhofsleiter Matthias Habel hat ihn „Gießbert“ getauft. „Die Programmierung und Einrichtung hat ein Jahr gedauert“, sagt er. Seit einem halben Jahr bewässert „Gießbert“ die hiesigen Grabstellen. Gesteuert mit einer App.
Der Gieß-Roboter ist ein Vorzeigeprojekt des kirchlichen Friedhofs am östlichen Rande Hamburgs. Und er ist sichtbarer Ausdruck der Bemühungen von Matthias Habel. Seitdem er 2003 zum Leiter wurde, hat das Thema Klimaschutz für ihn Priorität. Binnen zwei Jahren stellte er auf Ökostrom um, ließ eine Photovoltaik-Anlage auf das Dach der Kapelle bauen. 2005 dann war der Friedhof Rahlstedt der erste klimaneutrale Friedhof Deutschlands. In den darauffolgenden Jahren tauschte Habel sämtliche Verbrenner-Fahrzeuge in elektrische Alternativen aus.
Fortdauernder Klimaschutz auf dem Friedhof
Habel hat den CO2-Ausstoß des Friedhofs seit 2003 von 111,57 Tonnen auf 5,68 Tonnen reduziert. Was nun noch übrig ist, geht hauptsächlich auf das Konto dreier Verbrenner, für die Habel keine klimafreundlichen Alternativen findet: Den Friedhofsbagger, sowie zwei Aufsitzmäher. Deren Schaden fürs Klima kompensiert der Ankauf von CO2-Zertifikaten. „Das soll aber nur eine Übergangslösung sein“, sagt Habel. Das Thema Klimaschutz liegt ihm am Herzen. Bei seiner Auftraggeberin der evangelischen Kirche fühlt er sich deshalb genau richtig. „Die Bewahrung der Schöpfung ist auch mein ganz persönliches Thema“, sagt er.
Steinmetz-Kunst an den Gemeinschaftsgräbern
Neben seinem Vorbildcharakter als klimaneutraler Friedhof, hat die Rahlstedter Ruhestätte aber auch einige sichtbare Schätze zu bieten. Steinmetzkunst an den Gemeinschaftsgräbern zum Beispiel. „Wir bitten Steinmetze das zu realisieren, was sie schon immer einmal tun wollten und uns für den nächsten Auftrag einen weiteren Steinmetz zu empfehlen“, erzählt Habel. Im Ergebnis finden sich zahlreiche kleine Kunstwerke auf dem Friedhof, wie eine Pyramide, ein aufwendig zu Häuserreihen verarbeiteter Stein oder Mosaikverzierungen auf einer Stele.
Ein naturnahes Baumbestattungsfeld ist in Planung. „Um eine wunderschöne Buche soll eine Wildblumenwiese für ein naturnahes Gemeinschaftsgrab entstehen“, sagt der Friedhofsleiter. Das Thema Klima zieht sich durch die meisten Projekte in Rahlstedt. Mit Blühflächen soll der Friedhof so biodivers wie möglich sein, ein Insektenhotel schafft Lebensräume. Im Sommer tummeln sich die Bienen vor allem im Efeubaum, der über die Jahre zu einem prächtigen Exemplar hochgewachsen ist.
Grabstätten für Kinder und Säuglinge
Ein Blütenmeer schmückt im Sommer auch das neue Kindergrabfeld. Kreisförmig ist es angelegt und sticht ins Auge, da auf den einzelnen Ruhestätten neben allerhand Grün und Blumen auch Dinge wie Spielautos oder eine Ukulele stehen. Unweit findet sich die Grabstätte für Sternenkinder. Hier beerdigt der Friedhof Säuglinge, die bei ihrer Geburt weniger als 500 Gramm wogen. Sie gelten als nicht bestattungspflichtig. „Diese Kinder müssen nicht, aber können bestattet werden“, sagt Habel. Auf dem Friedhof Rahlstedt, wie auch auf vielen anderen kirchlichen Friedhöfen, sind solche Beerdigungen kostenlos. „Das gehört zu unserem Auftrag“, sagt Habel.
Friedhof als Parkanlage
Um den kirchlichen Auftrag zu erfüllen und um die Attraktivität des Friedhofs noch weiter zu steigern, legen Habel und sein Team aus 32 MitarbeiterInnen, davon 25 GärtnerInnen und FriedhofsarbeiterInnen viel Wert auf die Ästhetik. „Der Friedhof ist auch eine große Gartenschau“, sagt Habel. Im Sommer blüht der Friedhof in sämtlichen Farben auf, im Herbst färben sich die Blätter der Ahornbäume in ein prächtiges Rot.
Und „Gießbert“? Der geht mit dem Ende des Sommers in die Winterpause. Einsatzreiche Monate hat er hinter sich. Denn der letzte Sommer war wie seit 2018 trockener denn je. Gossen die Mitarbeiter die Anlage sonst 12-mal im Jahr, so mussten es seit 2018 jährlich doppelt so viele Male sein. Für die Mitarbeiter des Friedhofs Rahlstedt neben ihren sonstigen Tätigkeiten kaum zu schaffen. Gott sei Dank gibt es jetzt „Gießbert“.