„Kirchenpioniere“ – so nennt Moderator Kai Schächtele, der gemeinsam mit Jil Becker durch den Abend führt, seine Teilnehmer*innen auf der Bühne. In kurzen Video-Clips stellen sie sich selbst und ihre unterschiedlichen Projekte vor: Man sieht Pastor*innen, die auf der Straße „free blessings“ verteilen, die Predigten zum Nachhören ins Internet stellen oder die auf Youtube, Instagram & Co. in den direkten Dialog gehen und sich so über den Glauben austauschen.
Eine gute Botschaft – nicht nur sonntags
Dass das, was heute zum Standard-Repertoire der Kommunikation gehört, im Kontext der Kirche so herausgehoben wird, ist schon eigenartig. Im Verlaufe der Diskussion wird jedoch deutlich, dass sich die Teilnehmer*innen selbst weniger als Pioniere, sondern vielmehr als ganz normale Menschen mit ihren Ecken und Kanten verstehen. Allerdings sind sie davon überzeugt, dass die Kirche nach wie vor etwas zu bieten hat. „Unsere Botschaft ist viel zu gut, als dass wir sie nur sonntags von 10 bis 12 Uhr weitergeben“, meint Pastor Steve Kennedy Henkel. „Deshalb müssen wir dorthin gehen, wo die Leute sind.“
Leute wie Katharina Ochs, 14 Jahre alt. Sie ist hier, um Pastorin Josephine Teske, die sie über Instagram kennt, live zu erleben. „Ich finde es ganz toll, dass sie über die sozialen Medien die jüngere Generation abholt und dass sie so offen über alles spricht“, sagt sie. „Phine“ ist für Katharina eine Art persönlicher Glaubens-Coach und trägt dazu bei, dass sie in der Kirche eine Heimat gefunden hat.
Raus aus der Komfortzone
Authentisch zu leben, Menschen anzunehmen und für sie da zu sein – das ist den Pastor*innen auf der Bühne viel wichtiger als die aktuellen Followerzahlen. Trotzdem scheint es so, dass sich die Kirche im Allgemeinen mit der Interaktion – dem persönlichen Austausch – noch recht schwer tut. Aber warum? Ist der Leidensdruck noch nicht groß genug? Oder ist es Bequemlichkeit?
Was alle auf der Bühne auszeichnet, ist ihr Mut, nicht nur Traditionen und Konventionen zu hinterfragen, sondern auch die eigene Komfortzone zu verlassen und Neues – analog und digital – auszuprobieren. Denn selbstverständlich fällt auch ihnen nicht alles zu. Immer wieder müssen sie für sich selbst die Grenzen im digitalen Umfeld neu definieren oder sich mit den kritischen Aspekten auseinandersetzen. Die Problematik des Datenschutzes könne man aber nicht lösen, wenn man sich als Einzelperson einfach rausziehe, glaubt Theresa Brückner, Pfarrerin für Kirche im Digitalen Raum aus Berlin.
Bereit für neue Wege
Es ist kein leichter Weg. Auch das wird an diesem Abend deutlich. Eine rege Teilnahme an der Diskussion über die sozialen Medien kommt noch nicht zustande. Als eine ältere Frau aus dem Publikum eine Frage zum Thema Armut stellt, spürt man, wie schwer es ist, auf individuelle Bedürfnisse und Nöte ernsthaft einzugehen. Und doch setzt die Kirche mit dieser Talkshow ein hoffnungsvolles Zeichen: Mit Leidenschaft und Gottvertrauen will sie Veränderungen angehen – also Herz auf laut!