"Wir stehen ein für die Rechte aller Menschen. Wenn Menschen in Lebensgefahr und unmenschliche Bedingungen abgeschoben werden sollen, machen wir als Kirche nicht mit", sagt Propst Karl-Heinrich Melzer. "Kirchenasyl ist und bleibt hier eine wichtige Praxis, um geflüchtete Menschen und ihre Familien zu schützen. Mit Recht."
Hanna Hanke ist seit 2015 als Flüchtlingsbeauftragte im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein und spricht im Interview über das Kirchenasyl.
Frau Hanke, warum gibt es das Kirchenasyl überhaupt?
Hanna Hanke: Das Kirchenasyl ist eine jahrhundertealte Schutztradition in der Kirche. Heute ist es eine Praxis, um im Einzelfall Menschen vor einer Abschiebung zu schützen, die Gefahr für Leib und Leben bedeutet.
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass sich Kirche mit dem Kirchenasyl über das in Deutschland geltende Recht stellen würde?
Hanna Hanke: Kirchengemeinden stellen sich nicht über das Recht, sondern vor das Recht. Durch eine zeitlich befristete Aufnahme wird die Möglichkeit gegeben, die staatliche Entscheidung rechtlich neu zu prüfen. Damit setzen sich Kirchengemeinden für das grundgesetzlich verankerte Recht auf Schutz von Menschenwürde, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit der Betroffenen ein.
Kirchenasyl ist aber auch eine Anfrage an die Politik, wie Menschenrechtsverletzungen und unzumutbare Härten für Geflüchtete verhindert werden können.
Was können unzumutbare Härten sein?
Hanna Hanke: Zum Beispiel die drohende Obdachlosigkeit in Italien, die Inhaftierung und drohende gewaltsame Übergriffe in Gefängnissen in Bulgarien oder drohende Kettenabschiebungen zum Beispiel von Familien mit kleinen Kindern über Norwegen nach Afghanistan.
In welchen Fällen gewährt die evangelische Kirche Asyl?
Hanna Hanke: Kirchengemeinden gewähren Kirchenasyl in unzumutbaren Härtefällen, wo Gefahr für Leib und Leben besteht oder Menschen- und Grundrechtsverletzungen drohen. Neben den bereits genannten Härten sind das beispielsweise eine drohende Familientrennung, ein kritischer Gesundheitszustand eines Menschen, drohende Folter oder Verfolgung. Ein wichtiges Kriterium ist auch eine rechtliche Perspektive nach Ende des Kirchenasyls. Ziel jedes Kirchenasyls ist es schließlich, dass die betreffenden Personen in ein reguläres aufenthaltsrechtliches Verfahren kommen. Nebenbei bemerkt sind das nicht allein die Kriterien der evangelischen Kirche. Auch katholische Gemeinden haben im Grunde den gleichen Argumentationsrahmen für Kirchenasyl.
Welche Voraussetzungen müssen noch erfüllt sein?
Hanna Hanke: Die Möglichkeiten der Kirchengemeinde, diese Verantwortung zu übernehmen. Dazu zählen geeignete kirchliche Räumlichkeiten zur Unterbringung, Unterstützung in der Gemeinde und so weiter.
Die Kirchengemeinden entscheiden eigenständig, ob sie Kirchenasyl gewähren: Wer hilft ihnen bei Unsicherheiten?
Hanna Hanke: Kein Kirchenasyl wird leichtfertig entschieden, sondern es wird sorgfältig abgewogen. In der Nordkirche gibt es neben rechtlichen Beratungsstellen, Migrationsfachdiensten und der Flüchtlingspastorin der Nordkirche in jedem Kirchenkreis die Stelle der Flüchtlingsbeauftragten, die Kirchengemeinden beraten und informieren.
Zur Person: Hanna Hanke ist seit 2015 Flüchtlingsbeauftragte im Kirchenkreis Hamburg-West-Südholstein.
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