Wer kommt morgen zum Gebet zusammen?
Dietlind Jochims: Das interreligiöse Gebet ist eine gemeinsame Aktion von Caritas, der Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche, AG Kirchliche Flüchtlingsarbeit in Hamburg, der Schura und dem Integrationspunkt Hamburg.
Was genau ist geplant?
Wir werden uns auf der oberen Ebene von Terminal 1 versammeln und miteinander ein Gebet sprechen. Dabei werden wir an die über 65 Millionen Menschen denken, die weltweit auf der Flucht sind. Wir werden an die guten Traditionen unserer Religionen erinnern, Menschen in Not aufzunehmen und an die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft appellieren, Menschlichkeit und humanitäre Werte dem Erosionsprozess im Flüchtlingsschutz entgegen zu setzen.
Warum haben Sie den Flughafen als Veranstaltungsort gewählt?
Der Flughafen ist ein symbolischer und tatsächlicher Ort von Ankommen und Abreise. Außerdem befindet sich am Hamburger Flughafen eine Abschiebehafteinrichtung. An die Menschen, deren Hoffnungen auf ein Leben in Sicherheit und Freiheit sich nicht erfüllt hat, wollen wir besonderes denken.
Die Aktion ist den verwehrten Asylanträgen gewidmet: Warum brauchen diese besondere Aufmerksamkeit?
Die Quoten von abgelehnten Asylanträgen steigen. Diese vermehrten Ablehnungen sind nicht immer einer verbesserten Lage im Herkunftsland geschuldet, sondern oft politisch motiviert. So kritisieren wir besonders Abschiebungen nach Afghanistan, das keinesfalls sicherer geworden ist in den letzten Jahren.
Wie viele Menschen sitzen derzeit in Haft am Hamburger Flughafen? Was halten Sie von dieser Praxis?
Die Zahl ist mir nicht bekannt. Über den Flughafen Hamburg wurden im Jahr 2017 aber 950 Abschiebungen vollzogen. Flucht ist kein Verbrechen und Inhaftierung keine geeignete Maßnahme für Menschen, die kein Verbrechen begangen haben.
Wo bestehen Defizite im Hinblick auf den Umgang mit Flüchtlingen bzw. das Thema Flüchtlingsarbeit?
Eine WDR-Kommentatorin hat kürzlich gesagt: Die Diskussion um das Thema Geflüchtete strahlt keine menschliche Temperatur mehr aus. Das Hauptdefizit ist ein Abschottungsdenken, das angstbesetzt und zunehmend menschenfeindlich agiert.
Was kann und sollte Kirche leisten, um diesen Defiziten zu begegnen?
Kirchen und Moscheen müssen einen toleranten menschenfreundlichen Diskurs fördern. Sie müssen mit gutem Beispiel für gelebte Solidarität und Nächstenliebe vorangehen, Räume für Begegnung und Diskussion öffnen, die eigenen Werte von Gastfreundschaft und Fremdenliebe stärken und kritische Gegenstimme sein in den momentanen Entwicklungen.
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Infos im Detail:
Versammlung mit Interreligiösem Gebet
am Hamburger Flughafen, Terminal 1, Obere Ebene, vor der Anzeigentafel
am 20.06.2018, um 17.00 Uhr.
Der Weltflüchtlingstag ist ein von den Vereinten Nationen eingerichteter Aktionstag, der seit 2001 am 20. Juni stattfindet. Der Tag ist den Binnenvertriebenen, Asylsuchenden, Flüchtlingen und Staatenlosen auf der ganzen Welt gewidmet: also allen Menschen, die vor Krieg, Verfolgung, Terror oder Naturkatastrophen fliehen mussten. Weltweit sind weit über 65 Millionen Menschen auf der Flucht.