Einsamkeit kann jeden Menschen treffen. Besonders gefährdet sind Personen in Umbruchsituationen – nach dem Umzug in eine neue Stadt, einer Trennung oder einem Jobwechsel. Aber auch die Individualisierung unserer Gesellschaft, eingeschränkte Mobilität, Krankheit oder fehlende finanzielle Ressourcen können dazu beitragen, dass soziale Beziehungen zu kurz kommen.
Einsamkeit ist Tabu
Oft fällt es Betroffenen schwer, über ihre Einsamkeit zu sprechen. „Es ist wichtig, das Thema Einsamkeit in der Öffentlichkeit zu platzieren“, sagt Kirsten Prehm, Leiterin des Bereichs Familie und Senioren der Diakonie Hamburg. „Es muss klar sein, dass jeder Mensch auch mal Phasen haben kann, in denen er sich einsam fühlt, und dass man darüber sprechen kann.“ Bei der TelefonSeelsorge finden einsame Menschen einen anonymen Gesprächsraum. „Wir hören zu und erkunden gemeinsam mit unseren Klienten, wo Ängste liegen und welche Hilfemöglichkeiten es gibt“, berichtet Babette Glöckner, Leiterin der TelefonSeelsorge.
Auch jüngere Menschen sind in den letzten Jahren zunehmend von Einsamkeit betroffen. „Einige Studien zeigen, dass gerade junge Menschen, die soziale Medien stark nutzen, häufig einsam sind“, berichtet Sozialwissenschaftler Sebastian Link von der Universität Hamburg. Laut Link ist es jedoch zu früh, eine Schlussfolgerung daraus zu ziehen. Noch sei nicht eindeutig, ob es die Nutzung sozialer Medien sei, die einsam mache, oder ob einsame Menschen verstärkt auf soziale Medien zurückgreifen, um sich weniger einsam zu fühlen.
Menschen zusammenbringen
20 Prozent der über 85-Jährigen gelten als einsam. Das liegt auch daran, dass sie häufiger unter Krankheiten leiden und in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, um Beziehungen zu pflegen. Deshalb sind freiwillige Besuchsdienste wie SeniorPartner Diakonie wichtig. Sie bringen ältere Menschen mit Ehrenamtlichen regelmäßig für ein paar Stunden zusammen und ermöglichen ein entspanntes Beisammensein. „Die Menschen, die besucht werden, sind oft einsam“, sagt Prehm. „Manchmal sind es aber auch diejenigen, die sich engagieren, wenn sie beispielsweise nicht mehr berufstätig sind.“ Viele Ehrenamtliche profitieren von ihrem Engagement, weil sie einer sinnhaften Aufgabe nachgehen und mit anderen Menschen in Kontakt kommen.
Link sieht auch die Gesellschaft in der Pflicht. „Wenn Menschen in Armut geraten, verändern sich ihre sozialen Kontakte und sie nehmen weniger am gesellschaftlichen Leben teil. Unsere Sicht auf Armut ist deshalb entscheidend: Sehen wir Armut als strukturelles Problem oder als selbstverschuldetes Versagen?“ Niedrigschwellige Angebote und Räume seien gefordert, um Menschen das Zusammentreffen mit anderen zu erleichtern. Gute Ansätze sieht Prehm bei der Entwicklung von Wohnquartieren und Wohnprojekten, die soziale Teilhabe als wichtigen Faktor berücksichtigen. Letztendlich seien wir jedoch alle gefordert. „Wir müssen wieder neu erlernen, aufeinander zuzugehen, jemanden anzusprechen und einfach Fragen zu stellen.“