Was hat Sie veranlasst Militärpfarrer zu werden?

Das war ein Aufbruch zu neuen Ufern: Ich war sehr gerne Gemeindepfarrer. Aber nach diesem ersten langen Berufsabschnitt war ich gespannt auf eine neue Herausforderung. Und nachdem die Kinder flügge geworden waren, passte der Wechsel auch in die neue Lebensphase. Und meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Ich finde es total faszinierend, in diesem ganz anderen Umfeld Glauben zu leben und als Vertreter der Kirche präsent zu sein. Die – manchmal auch kontroversen – Gespräche sind spannend. Gleichzeitig erlebe ich, dass Kirche und Seelsorge gerade wegen der besonderen Herausforderungen des Soldatenberufes dankbar angenommen werden. 
Meine ersten Schritte in der Militärseelsorge habe ich an der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt bei Bremen gemacht. Anschließend folgten mehrere Jahre an der Unteroffiziersschule der Luftwaffe in Appen vor den Toren Hamburgs. Und seit einem halben Jahr kann ich mich nun hier an der Helmut-Schmidt-Universität und dem Bundeswehrkrankenhaus einbringen und neue Erfahrungen sammeln.

Auch Auslandseinsätze gehören zu meinen Aufgaben. In der Corona-Zeit habe ich für viereinhalb Monate Soldaten auf einer Ausbildungsmission im Nordirak begleitet. Im vergangenen Jahr war ich für die seelsorgerliche Begleitung deutscher Soldaten in der Erdbebenhilfe in der Türkei im Einsatz. Außerdem konnte ich die Besatzung der Fregatte Bayern während eines NATO-Manövers begleiten.

Es gibt immer wieder Menschen, die sind der Meinung, dass Kirche und Militär nicht zusammengehören. Was entgegnen Sie diesen?

Hinter dieser Meinung steht oft die Auffassung, dass zum Soldatenberuf die Gewaltausübung und letztlich die Notwendigkeit zum Töten von Menschen gehört und dass dies von der Kirche nicht gut geheißen werden könne. Wohl kaum einer wird Gewaltausübung prinzipiell gutheißen. Dennoch ist das immer wieder nötig, wenn unsere Gesellschaft und unsere Welt nicht noch mehr im Chaos versinken sollen. Gerade der völkerrechtswidrige Ukrainekrieg macht nach meiner Meinung deutlich, dass manchmal rechtserhaltende Gewalt nötig ist, um Recht gegen Unrecht durchzusetzen. Um so besser, wenn das wie in Deutschland geordnet und nach rechtsstaatlichen Prinzipien geschieht.

Noch wichtiger ist mir aber, was Jesus selbst vorgelebt hat. Er hat die Menschen vorbehaltlos angenommen und niemanden zurückgewiesen, der ernsthaft zu ihm kam. So ähnlich sehe ich die Aufgabe der Militärseelsorge. Es geht nicht darum, Waffen zu segnen, sondern den Soldaten in den besonderen Belastungen ihres Berufes beizustehen.

Das drückt sich auch darin aus, dass die Militärpfarrer zwar voll in die Bundeswehr integriert und in allen möglichen Lagen bis hin zu den Einsätzen beteiligt sind, dabei aber keine Waffe tragen. Ich bin überzeugt: Christen sollten nicht innerhalb der Kirchenmauern darauf warten, dass die Menschen zu ihnen kommen, sondern im Gegenteil zu den Menschen gehen. Das gilt natürlich und besonders auch für die Soldaten.  

Welche Erwartungen haben Sie an die Menschen an der Helmut-Schmidt-Universität und dem Bundeswehrkrankenhaus?

Von Anfang an habe ich in beiden Bereichen eine große Offenheit und ein großes Entgegenkommen gespürt. Ich wünsche mir, dass die Soldaten, Studierenden und auch die Zivilangestellten mir Vertrauen schenken, wir viele offene Gespräche führen können und uns an vielen Stellen begegnen. Und ich wünsche mir, dass wir viele fröhliche Gottesdienste und Andachten miteinander feiern können. Auch die Begegnungen beispielsweise auf Rüstzeiten sollen nicht zu kurz kommen. Ein besonderes Highlight war beispielsweise die Familien-Rüstzeit, die wir in diesem Sommer mit mehreren Soldatenfamilien auf Usedom erleben konnten.  

Welches Buch lesen Sie gerade?

„Allein gegen den Wind“ von Wilfried Erdmann. In diesem Buch beschreibt Erdmann, wie er in 343 Tagen – allein und nonstop – gegen die vorherrschende Windrichtung die Welt umsegelt. Verrückt und faszinierend. 
Außerdem von Reinhold Boschki „Elie Wiesel – Erinnerungen eines Weggefährten“. Der katholische Theologe – und Schüler Wiesels – erzählt von seinen Begegnungen mit dem jüdischen Schriftsteller und berichtet, wie sehr ihn dieser beeindruckende Zeuge des Holocaust geprägt hat.

Welchen Film würden Sie empfehlen?

„Die Goldfische“ – eine nicht ganz so bekannte deutsche Komödie aus dem Jahr 2019. Ich habe lange nicht mehr so viel gelacht wie bei diesem Film: Ein Banker verunglückt bei einem Verkehrsunfall, findet sich in einer Reha-Einrichtung wieder und versucht, mit einer Gruppe Behinderter als Tarnung Schwarzgeld über die Schweizer Grenze zu bringen. Ein herrlich verschrobener Film, der nebenbei und unaufdringlich auch das Thema Behinderung in den Blick nimmt. Toll: Axel Stein als „Rainman“.

Was ist ihre größte Schwäche, was ihre größte Stärke?

Ich kann ziemlich ungeduldig sein. Manchmal wünsche ich mir dann im Nachhinein etwas mehr Geduld oder Gelassenheit. Ich denke, dass ich ein guter Teamplayer bin. Mir macht die Zusammenarbeit mit anderen Menschen viel Freude. 

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