Welche Milchalternative ist denn nun die beste? Soll ich die Biogurke in Plastik oder die unverpackte konventionelle Gurke kaufen? Welchem Siegel kann ich trauen? Kann man sich auch verrückt machen in Konsumentscheidungen? Wie geht es Ihnen damit?
Thomas Schönberger: Ich denke, dass im Alltag ein pragmatisches Vorgehen das vernünftigste ist. Die Richtung muss stimmen. Möglichst viel Bio-Produkte, möglichst viel vegan oder vegetarisch. Aber man kann sich auch mal Bio-Eier oder konventionelle Produkte erlauben, auch wenn man Essen geht, zum Beispiel. Alles, ohne die große Linie zu verlieren. Man sollte sich da nicht verrückt machen, denn über diese individuellen Verhaltensänderungen ist die Lösung der ökologischen Frage nicht zu erreichen. Wenn man auf der individuellen Ebene sehr genau agieren möchte, kann ich die Webseite label-online.de empfehlen, die bietet Orientierung im Label-Dschungel.
Überall geht es um individuelle Ökotipps. Also sogenannte „ultimative Verhaltenstipps, wie wir das Klima retten können“. Was halten Sie von diesem Trend?
Ja, es gibt ja auch Rechner, die den individuellen ökologischen Fußabdruck berechnen. Kann man als Spielerei machen, aber für politische strukturelle Entscheidungen ist das der falsche Ansatz. Denn es erzeugt die Illusion, dass sich über die individuelle Verhaltensebene die strukturell notwendigen Änderungen erreichen lassen.
Nicht jeder Mensch kann sich umweltbewusstes Leben leisten
Umweltbewusstes Leben ist außerdem eine soziale Frage. Nicht alle Menschen haben die Zeit, den Kopf, den Zugang zu Informationen, da sie mit ihrem Alltag genug beschäftigt sind. Ökotipps sind nicht der Ansatz, die Klimafrage zu lösen. Natürlich ist es interessant zu schauen, in welchen Bereichen man selbst besser werden kann, im Heizverhalten, Verkehrsverhalten, Ernährungsverhalten. Aber man muss es richtig einordnen.
Konsumkritik ist ein großes Thema, vor allem in den Sozialen Medien. Da wird dann, um ein fiktives Beispiel zu bringen, ein Demonstrant von „Fridays for Future“ kritisiert, weil er Wasser aus einer Plastikflasche trinkt. Sind Sie von solcher Kritik, auch Ökoshaming genannt, auch betroffen? Wie gehen Sie damit um?
Es gibt eine leichte Tendenz dazu, ja. Versucht man einigermaßen umweltfreundlich zu leben, leistet sich aber einen Ausrutscher, wird es angesprochen. Auch da ist es wichtig einzuordnen und klarzumachen, dass man ein Mensch ist, der sich bemüht, aber nicht alles richtig und überkorrekt macht oder beziehungsweise machen möchte.
Zugang zu umweltbewusstem Konsum oft erschwert
Es ist nicht nur ein Privileg, sich nachhaltige Lebensmittel leisten zu können, sondern auch die Ressourcen und Zeit zu haben, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Ökologische Lebensweise ist derzeit noch eine Art Widerstand: aufwendiger und teurer. Das muss sich doch ändern, oder?
Ja, denke ich schon. Es gilt die Dinge so zu strukturieren und politisch-ökonomisch so zu regeln, dass das nachhaltige Leben keine individuelle Herausforderung ist. Es gibt ja auch in bestimmten Stadtteilen kaum Bio-Märkte geschweige denn Unverpackt-Läden. Also ist es natürlich ganz wesentlich auch eine Frage des sozialen Ausgleichs in der Gesellschaft.
Zur Person: Thomas Schönberger ist am UmweltHaus am Schüberg Bildungsreferent für „Wirtschaft neu denken“, Agro-Biodiversität, Klimaschutz und Zukunftsfähige Mobilität. Er engagiert sich seit über 40 Jahren für den Umweltschutz und lebt weitgehend vegan. Außerdem ist er Vorstandsmitglied der Organisation „ProVeg“. Diese NGO (Non Governmental Organisation / Nicht-Regierungs-Organisation) setzt sich für einen zukunftsfähigen Ernährungsstil und eine landwirtschaftliche Kultur ein, die vegetarisch bzw. vegan, ökologisch, ethisch und sozial verantwortlich sowie ökonomisch tragfähig sind.