Neben einem Schlafplatz für die Nacht gehören auch Versorgung und Beratung zum Programm. Das Winternotprogramm ergänzt damit die übrigen Notübernachtungen, etwa das ganzjährig offene „Pik As“.
„Wir begrüßen grundsätzlich den Ausbau des Winternotprogramms. In Zeiten der Pandemie ist Gemeinschaftsunterbringung aus unserer Sicht aber nicht der richtige Weg“, sagt Dirk Hauer, Leiter der Bereiche Migration und Existenzsicherung bei der Diakonie Hamburg. „Um den Infektionsschutz für die zumeist besonders vulnerable Gruppe obdachloser Menschen zu gewährleisten, müsste es Alternativen zu Großunterkünften und mehr Einzelunterbringung geben – die bisher nur im kleinen Rahmen in den Wohncontainern des Winternotprogramms möglich ist.“ Rund 120 städtisch finanzierte Containerplätze mit Einzelunterbringungen gibt es dezentral bei Kirchengemeinden und Hochschulen.
Sammelunterkünfte mit "umfassenden Hygienekonzepten"
Die großen Übernachtungsstandorte verfügen nach Angaben der Sozialbehörde über umfassende Hygienekonzepte. Tagsüber würden die Übernachtungsstandorte gründlich gelüftet und gereinigt. Eine „lockere Belegung“ soll Abstände ermöglichen. Dafür ist ein zusätzlicher Standort mit weiteren Betten in Planung, der voraussichtlich im Laufe des Novembers in Betrieb gehe. Bei dem Verdacht auf eine Corona-Infektion könnten Betroffene bis zur Klärung „unverzüglich vor Ort“ isoliert untergebracht werden, so die Behörde. Gegebenenfalls würden sie in separate Quarantäne-Standorte verlegt, in denen bestätigte Infektionsfälle für die Dauer der Erkrankung auch bleiben können.
Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter und politischer Sprecher bei Hinz und Kunzt, findet das Konzept unzureichend: „Alle Menschen haben das Recht darauf, bestmöglich geschützt zu werden. Das wäre mit einer Einzelbringung der Fall, die jedoch so nicht vorgesehen ist.“
Nach Angaben von Hinz und Kunzt hat der Sozialausschuss der Bürgerschaft Anträge von CDU und Linken für mehr Hilfen für Obdachlose vergangenen Donnerstag abgelehnt. Auch der Vorschlag, Wohnungslosenhilfe und Verwaltung an einen Runden Tisch zu bringen, stieß nicht auf Zustimmung, heißt es.
Eingeschränkter Betrieb bei vielen Angeboten
Eine medizinische Einrichtung, an der kranke Obdachlose ohne Hinweise auf Corona-Infektion seit jeher versorgt werden, ist die Krankenstube der Caritas. Sören Kindt ist dort als Sozialarbeiter tätig. Er plädiert für Einzelunterbringung aus Gründen, die über Corona hinausreichen. „Nicht nur in diesem Jahr, sondern auch generell führt die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften dazu, dass die Menschen nicht zur Ruhe kommen und eine Perspektive für ihr Leben entwickeln können.“ Die Krankenstube der Caritas hält normalerweise 20 Betten bereit, unter Corona-Bedingungen sind es nur gut die Hälfte. Die Einrichtung ist damit nicht allein, auch viele andere medizinische Hilfsangebote für Wohnungslose oder Menschen ohne Papiere, können derzeit mit nur eingeschränkten Kapazitäten arbeiten.
Auch im Bereich der Tagesaufenthaltsstätten gebe es nicht genug Plätze, da viele Einrichtungen aufgrund der Hygieneauflagen nur eingeschränkt geöffnet sind, erklärt Kindt. In der Planung außen vor sei auch die Frage nach dem Transport geblieben. „Wie sollen die Menschen von den Übernachtungsplätzen zu den Tagesaufenthalten kommen, wenn sie weder Fahrrad, Auto noch Geld für den HVV haben?“
„Mehrere kleinere Tagesaufenthalte im Innenstadtbereich besser“
Auch Stephan Karenbauer, Sozialarbeiter und politischer Sprecher bei Hinz und Kunzt ist ähnlicher Ansicht: „Es ist sehr sinnvoll, eine Tagesaufenthaltsstätte in zentraler Lage einzurichten. Allerdings wären mehrere kleinere Tagesaufenthalte im Innenstadtbereich besser.“
Hinz und Kunzt, Caritas und Diakonie fordern schon seit Langem die Möglichkeit, Obdachlose in Einzelunterkünften unterzubringen. Eine in diesem Rahmen bisher einmalige Gelegenheit war die Unterbringung von Obdachlosen in Hotels in diesem Frühjahr. Durch eine Großspende war es möglich geworden, 170 Wohnungslose in Hamburger Hotels unterzubringen, die wegen der Pandemie geschlossen hatten. „Die Hotelunterbringung hat gezeigt, dass Einzelunterbringung und die damit verbundenen Rückzugsmöglichkeiten die sozialarbeiterischen Erfolge deutlich steigern“, sagt Hauer.
Karrenbauer von Hinz und Kunzt fordert dazu auf, auch jetzt wieder die Hotels für Obdachlose zu öffnen: „Es ist eine Win-win-Situation, weil viele Hotels wegen der Corona-Krise leerstehen und schon Erfahrung mit der Unterbringung von Obdachlosen haben.“
Die Kosten des Winternotprogramms belaufen sich laut Sozialbehörde auf etwa zehn Millionen Euro. Die Übersicht der Hilfsangebote für Obdachlose ist unter www.hamburg.de/obdachlosigkeit abrufbar.