Mit besinnlichen Klängen wurde jener herausragenden Theologin gedacht, die am Tag zuvor im Alter von nur 57 Jahren jäh aus dem Leben gerissen wurde. Die genaue Todesursache werde jetzt mit einer Autopsie geklärt, hieß es. Sie sei nicht krank gewesen, sagte ein Kirchensprecher.
Ihr Mann, selbst Pastor, und die drei Kinder waren zur Chornacht gekommen und teilten Trauer und Fassungslosigkeit mit der Kirchengemeinde, die das Programm für den Sonntagsgottesdienst ebenfalls ändern musste. Eigentlich sollte Martina Severin-Kaiser predigen.
Doch nun brannte im Kirchenraum eine Kerze für sie als Zeichen des Gedenkens. Zudem war der Bach-Chor spontan aus einem Probenwochenende in den Gottesdienst gekommen. Zahlreiche Besucher gaben ihrer Trauer in einem Kondolenzbuch Ausdruck.
"Ihr Tod trifft mich tief und wühlt mich auf", sagte ihr Vorgänger Christoph Störmer dem Abendblatt. "Ich hätte ihr und St. Petri so sehr noch zehn gemeinsame Jahre gewünscht."
"Wir sind erschüttert und sehr traurig", sagte St.-Petri-Kirchengemeinderatsmitglied Daniel Kaiser. Der NDR-Journalist hatte die Nacht der Chöre mit moderiert. "Martina Severin-Kaiser war eine freundliche, herzliche Frau ohne jeglichen Dünkel. Bei ihr kam jeder zu Wort und wurde beachtet."
Selbst erfahrene Amtskollegen konnten von ihr lernen
Wer mit ihr sprach, entdeckte bald, dass Christsein nicht an den Toren Hamburgs endet. Mit ihren Erfahrungen, die sie zum Beispiel in Jerusalem gesammelt hat, weitete sie den Horizont: Martina Severin-Kaiser rückte die weltweite Christenheit und die anderen Weltreligionen in den Blickpunkt der Gespräche – und in die Herzen der Menschen.
Was viele als Zersplitterung erleben, bezeichnete sie als Vielfalt. Den Reichtum des religiösen Glaubens konnte die in Eutin geborene Theologin mit einem so profunden Wissen über afrikanische, orthodoxe und altorientalische Kirchen, einer Eloquenz und Geduld erklären, dass selbst erfahrene Amtskollegen immer wieder etwas Neues von ihr lernten. Und sie dafür bewunderten.
Bereits als Ökumenebeauftragte der Nordkirche und Chefin der Hamburger Arbeitsgemeinschaft der Christlichen Kirchen (ACK) war sie eine Idealbesetzung. Martina Severin-Kaiser, die zuvor als Pastorin in Steilshoop und in der deutschsprachigen Gemeinde von Brüssel gearbeitet hatte, erwarb sich als Ökumenikerin höchste Achtung, die über ihren Tod hinausstrahlen wird.
So trauern nun auch das Islamische Zentrum und die Islamische Akademie über den "Verlust unserer Schwester und Freundin". Sie habe sich um die "Annäherung der Herzen der Menschen" bemüht.
"Für die Hauptkirche war sie eine Idealbesetzung"
Wie Pater Martin Löwenstein vom (katholischen) Kleinen Michel sagte, habe die evangelische Pastorin unzähligen Christen aus den großen und kleinen Kirchen die Erfahrung geschenkt, dass sie in lebendiger Gemeinschaft zusammengehören. "Ich verdanke ihr, seit ich in Hamburg bin, die Freude an der Gemeinschaft der christlichen Kirchen, wie ich sie nie zuvor erlebt habe", sagte Löwenstein.
Die Rathaus-Kirche St. Petri an der Mönckebergstraße trifft der Tod ihrer Hauptpastorin mitten in einer Phase der Neuorientierung. Severin-Kaiser hatte ihr Amt als Nachfolgerin des pensionierten Hauptpastors Christoph Störmer erst vor einem halben Jahr angetreten.
Im Bewerbungsverfahren bekräftigte sie ihre Bereitschaft, "am Traum der Kirche und der Stadt von morgen mitzuarbeiten". Daran, dass ihr das gelingen werde, ließ sie keinen Zweifel: "Ich bin eine Meisterin des Multitaskings", sagte die begeisterte Seglerin.
Sie wollte die Willkommenskultur in St. Petri weiter pflegen und für neue gesellschaftliche Gruppen öffnen, die der Kirche fernstehen. "Für die Hauptkirche war sie eine Idealbesetzung", sagte Christoph Störmer am Sonntag. "Sie tat ihren Dienst sehr engagiert ohne jegliche Starallüren, mit großer sprachlicher und theologischer Kompetenz, unbestechlichem Urteilsvermögen und dazu mit einer großen Portion Unaufgeregtheit und trockenem Humor."
Bereits im ersten halben Jahr ihres Wirkens an St. Petri habe Martina Severin-Kaiser viel Vertrauen und Anerkennung erworben, erklärte Bischöfin Kirsten Fehrs. "Unser einziger Trost ist, dass wir sie bei Gott geborgen wissen, dessen Liebe sie selbst ihr Leben lang bezeugt hat."