Sommerreihe – Teil 3 "Ein helles Kerlchen"

Das Himmelmoor ist ein Paradies für Weidenjungfer (Foto) und Königslibelle, Wachtelkönig und Kranich

Quickborn überrascht: Wussten Sie, dass der berühmte königlich-dänische Baumeister Christian Frederik Hansen dort seine erste Kirche gebaut hat? Und man mit der Torfbahn im Himmelmoor herumfahren kann? Teil drei unserer „Reise zu den Rändern“

Irene Lühdorff, 81, holt mich am Bahnhof mit dem Auto ab. Sie hat viele Jahre die örtliche Volkshochschule geleitet und ist bis heute in der Geschichtswerkstatt aktiv. Sie kennt jeden Stein. Und offensichtlich auch das Heavy-Metal-Festival weiter im Norden, das auch dieses Jahr wieder im Schlamm versank.

"Ich kann unendlich viel erzählen“, sagt sie. Das fängt auf der Straße an, auf der wir gerade fahren. An ihr liegt unser Ziel, die Marienkirche. Die ehemalige Chaussee von Altona nach Kiel war 1832 fertig, die erste befestigte „Kunststraße“. „Vorher war hier Wacken“, sagt Irene Lühdorff.

Sie begleitet mich auf der Tour, die auch ins Himmelmoor führen wird – dem mit einer Fläche von 600 Hektar größten Hochmoor Schleswig-Holsteins. Nach den Sommerferien wird dort ein neuer Lehrpfad eingeweiht.

Der Prototyp

Frau Lühdorff schließt die Kirche auf. Der Backsteinbau von 1809 ist das älteste aus Ziegeln geschaffene Bauwerk in der Stadt. Der Vorbau gehört zum Turm, der 1863 in neoromanischen Stil an die Kirche angebaut wurde, um sie repräsentativer wirken zu lassen.

Der königlich-dänische Landesbaumeister Christian Frederik Hansen (1756-1845) hatte sie nur mit Dachreiter geplant. Es war Hansens erste Kirche, der Prototyp für vier weitere Kirchen in Schleswig-Holstein und die Schlosskirche in Kopenhagen.

Während ich Frau Lühdorff lausche, wandern meine Augen ins Innere. Eine Hallenkirche hat Hansen entworfen, schlicht und schnörkellos. Die in zartem Grau gestrichene Empore wird von zwölf Säulen getragen.

Am Ende des Mittelgangs der Kanzelaltar aus Mahagoni, dahinter ein Fenster, das das „Licht der Verheißung“ durchscheinen lässt, wie mir Irene Lühdorff erklärt. Auch der Taufständer, in Form einer Getreidegarbe ist noch im Original erhalten.

Die Kirche wirkt erhaben, ohne sich aufzudrängen. Ich setze mich in eine der Bänke und genieße die Weite. Frau Lühdorff zündet die Kerzen am Altar an. 14 Jahre lang war sie im Kirchengemeinderat, jetzt übernimmt sie regelmäßig Küsterdienste.

Sie gehörte auch dem Ausschuss an, der die Aktivitäten zum 200. Jubiläum im Jahr 2009 plante. Dafür wurde die Kirche Stück für Stück restauriert und innen weitgehend wieder ins Original zurückversetzt. Die Quickborner verzehnfachten mit ihren Spenden die Startsumme von 10.000 Euro. Heute wird die Kirche auch wegen ihrer guten Akustik geschätzt.

Ich schaue mich ein letztes Mal um, dann schließt Frau Lühdorff hinter mir zu. Sie bemerkt, das ich beeindruckt bin. Und erzählt, dass Architekt Hansen im Alter von zehn Jahren eine Maurerlehre absolviert und gleichzeitig so erfolgreich eine Vorbereitungsklasse der Kunstakademie besucht habe, dass der König ihm eine vierjährige Italienreise spendierte. „Er war ein helles Kerlchen“, sagt sie.

Natur pur

Wir fahren ins rund drei Kilometer entfernte Himmelmoor. Gleise liegen im Gras, Loren parken vor einem Schuppen. Noch drei Jahre wird hier Torf abgebaut. Die Umwandlung in ein Naturschutzgebiet ist in vollem Gange.

Ein Sandweg führt zu einem Aussichtspunkt. Der Wind fegt durch das Binsengras und Wolken über den Himmel. Vor uns eine dunkle Wasserfläche, Enten schwimmen darauf, Birkenblätter rauschen. Ein Schild warnt vor Kreuzottern.

Über federnden Boden schlendern wir entlang eine Feldes mit dunklem Grund. Hier haben bis zum Ende der 1960er Jahre auch Strafgefangene aus Fuhlsbüttel Torf gestochen. Besser nicht vom Weg abkommen. Frau Lühdorff hat selbst bei einer Führung erlebt, wie ein Teilnehmer knietief versackte.

Am Ende des Feldes beginnt ein Wäldchen, ein neu angelegter Holzpfad schlängelt sich hindurch. Das Himmelmoor ist ein beliebtes Ausflugsziel. An Sommersonntagen kann man hier mit der Torfbahn fahren. „Aber man findet immer seine Ruhe“, sagt Frau Lühdorff.

Ihre beiden Söhne haben längst Familie und leben nicht mehr in Quickborn. „Doch wenn sie hier sind, ist ein Ausflug ins Moor obligatorisch.“ Ich werde wiederkommen. Mich noch einmal in die Kirche setzen und in ihre schlichte Schönheit genießen. Und später barfuß auf den Moorpfaden laufen. Auch wenn es geregnet hat und wie Wacken ist.

Reisetipps

  • Die Marienkirche ist sonntags zum Gottesdienst und bis September nachmittags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Für Kirchenführungen nehmen Sie einfach Kontakt mit dem Gemeindebüro auf. Die Geschichte der Kirche können sie hier noch einmal nachlesen.
  • Noch bis Oktober können Sie an jedem 1. und 3. Sonntag mit der Torfbahn durchs Himmelmoor fahren. Weitere Infos gibt der Förderverein Himmelmoor
  • Anreise per AKN und Rad oder per Auto. Die Rundtour vom Bahnhof über die Kirche und das Himmelmoor ist rund acht Kilometer lang.