„Die Blaue Stunde“ Wenn der Wecker nicht mehr klingelt: Was tun im Ruhestand?


Die Blaue Stunde meint die Zeit der Dämmerung – kurz vor dem Sonnenauf- beziehungsweise kurz nach dem Sonnenuntergang. Eine Zeit des Übergangs, in der sich der Himmel in ein intensives Blau färbt und die Veränderung einläutet.

Das Format „Die Blaue Stunde“ der Evangelischen Kirche in Hamburg greift diese Phase am 18. und 19. April in der Rathauspassage auf und bietet für Interessierte einen Raum für offene Fragen zu ihrer eigenen „Blauen Stunde“ – nämlich den Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand. 

Der Ruhestand: Neue Phase im Leben annehmen

Der Ruhestand sei eine Phase, die „in der Regel völlig unterschätzt“ werde, erklärt Meike Barnahl, Pastorin und Leiterin der Agentur st. moment, die das neue Format am kommenden Donnerstag und Freitag veranstaltet. Und ein komplexes Thema: Für die einen sei der Ruhestand eine neu gewonnene Freiheit, für die anderen ein Abschied aus einer Tätigkeit, der man gerne gefolgt ist, erklärt Pastorin und Pastoralpsychologin Bettina Kolwe-Schweda. Sie ist eine der Expert*innen, die am ersten Abend der Veranstaltung für Fragen und Interviews zur Verfügung steht. 

Unabhängig davon, wie man selbst zu dem Thema stünde, sei es eben auch die Gesellschaft, die Menschen im Ruhestand anders betrachten würde, erklärt die Expertin. „Mit dem Ruhestand beginnt der Eintritt ins ‚Alter‘, unabhängig davon, wie alt man sich selbst fühlen mag.“ Auch geschlechtsspezifisch beobachtet die Pastorin Unterschiede: So würden Frauen tendenziell über ein größeres soziales Netz verfügen, welches über den Beruf hinausgeht. Bei Männern bestünde es eher aus direkten Kolleg*innen. 

Auch deshalb sei das Angebot von st. moment, den Hamburger Hauptkirchen und dem Kirchlichen Dienst der Arbeitswelt (KDA) so wichtig: „Man kann sich informieren und Menschen in einer ähnlichen Lebenssituation kennenlernen, neue Kontakte knüpfen und sich vernetzen.“ 

Was Menschen beim Übergang in den Ruhestand erwartet 

Das gesellschaftliche Bild vom Menschen im Ruhestand ist extrem: Es kursieren einerseits Vorstellungen eines glücklichen pensionierten Menschen, der mit dem Wohnmobil auf Weltreise geht oder seine Erfüllung in der gemeinsamen Zeit mit den Enkelkindern findet. Parallel dazu scheint eine verbreitete Sorge vor dem Loch vorzuherrschen, in das manche fallen, deren Lebensinhalt vor allem die Arbeit war. 

Beide Extreme werden der Realität, der sich viele Rentner*innen mit dem Einzug in den Ruhestand stellen müssen, kaum gerecht. Mit dem Bild des überglücklichen Menschen im Ruhestand würde laut Meinung von Pastoralpsychologin Kolwe-Schweda ein Ideal entworfen, in dem viele Themen des Älterwerdens keinen Platz finden würden: „Was ist, wenn man alte Eltern hat, die gepflegt werden müssen? Wenn man seine langjährige Freundin durch Krankheit verliert oder selbst erkrankt ist? Was, wenn man von Altersarmut betroffen ist?“ 

Die Erfahrung würde vor allem zeigen: „Nach der ersten Euphorie stellt sich irgendwann die Phase der Ernüchterung ein.“ In dieser sei es besonders wichtig, sich nicht zurückzuziehen, sondern aktiv zu werden und sich ein neues Ziel zu suchen, so die Pastorin. „Was ist eigentlich für mich persönlich wichtig? Damit kommt dann auch die Frage nach dem Sinn im Leben in den Blick.“ 

Wie kann man sich auf den Ruhestand vorbereiten? 

Die Pastorin beschreibt den Ruhestand als Reise: Dabei würden manche bis zum Schluss arbeiten, um den ersten Urlaubstag als ein Befreiungsgefühl zu erleben. Andere hingegen würden sich sicherer fühlen, wenn sie bereits Wochen vor der „Abreise“ anfangen zu packen und sich vorbereiten. 

Nicht immer bietet sich die Gelegenheit, sich „richtig“ auf den Ruhestand vorzubereiten: Manchmal kommt er früher als erwartet, manches Mal auch unfreiwillig oder man trennt sich im Konflikt. Faktoren, auf die viele nur bedingt Einfluss haben. Doch es gäbe gewisse Dinge, die man in der Hand habe – vor und auch noch nach dem Eintritt in den Ruhestand, erklärt Kolwe-Schweda. 

So sei es beispielsweise sehr hilfreich, sich schon vor dem Ende des Berufslebens eigene und unabhängige Routinen zu schaffen. Eine Möglichkeit: ein Hobby, welches man auch als Rentner*in weiter verfolgen kann – vielleicht sogar intensiver, nun, da mehr Zeit da ist. Das bereits angesprochene soziale Netz ist ebenfalls eine wichtige Unterstützung. „Es braucht Orte und Menschen für die existenziellen Themen des Lebens, die näher rücken: für die Endlichkeit, Verletzlichkeit und Schicksalshaftigkeit des Lebens.“ 

Dabei sei es wichtig, Beratung oder Begleitung in dieser neuen Phase des Lebens nicht zu scheuen – auch deswegen seien Angebote wie „Die Blaue Stunde“ wichtig. „Denn dort geht es eben auch um diese Seiten des Themas“, so die Pastoralpsychologin. Damit unzertrennlich verwoben sind auch die schönen Dinge des Ruhestands. „Wenn ein bedeutender Lebensabschnitt endet, kann man durchaus feiern, was man alles erlebt und geschafft hat“, sagt Meike Barnahl. „Außerdem entsteht Raum für Neues. Auch das ist Teil des Übergangs.“ 

Aus diesem Grund ist „Die Blaue Stunde“ zweigeteilt: Der erste Teil am 18. April widmet sich Workshops, Fragen und Impulse zum Thema. Am zweiten Veranstaltungstag (19. April) gibt es Live-Musik, Fingerfood und für diejenigen, die mögen, einen Segen. Wer teilnehmen möchte, kann einfach am 18. oder 19. April in der Rathauspassage vorbeischauen – die Veranstaltungen beginnen jeweils um 18 Uhr. Weitere Informationen finden Sie hier.