„Es wäre ja schrecklich, wenn wir einen der zentralsten Kommunikationswege für uns ausblenden würden. Auch die Angst, dass alle älteren Menschen auf diesem Wege abgehängt werden, hat sich als unbegründet erwiesen. Ich habe Zoom-Gottesdienste gefeiert bei denen die ältesten Teilnehmer 93 und 95 Jahre alt waren, ich denke das sagt alles“, erklärt die Pastorin. Sie glaubt, dass das Internet für die kirchliche Arbeit eine große Chance ist. „Viele Menschen sind heutzutage online, gerade auch die Generation 60Plus. Sie schreiben im Messenger, machen Videotelefonie mit dem Smartphone, hängen auf Facebook, Instagram und Twitter ab und lesen Online-Zeitungen. Wenn ich bedenke wie viel Zeit ich im Netz verbringe, dann muss ich sagen, dass das Internet wirklich der beste Ort ist um mit Menschen in Kontakt zu bleiben, oder mit ihnen in Kontakt zu kommen. Und um die Gemeindearbeit nach außen zu tragen.“
Die Kirchengemeinde der Lutherkirche hat einen Instagram-Account, eine Facebookseite einen YouTube-Kanal, einen Zoom-Account und eine Homepage. Der Gemeindekalender und die Raumbuchungen für Termine laufen online, genau wie die Kommunikation mit den meisten Gemeindegruppen.
Rap-Songs und Podcasts
Online aktiv ist auch Lukas Klette von der Kirchengemeinde Lokstedt. Unter anderem veröffentlicht der junge Pastor unter dem Label „UEberflows“ Rap-Songs und macht eigene Podcasts. Für ihn ist das Internet ein „Raum zum Ausprobieren“.
„Mit dem ‚Offenbart Podcast‘ und den Rap-Andachten von ‚UEberflows‘ erreiche ich bisher quantitativ keine Massen an Menschen, komme aber immer wieder qualitativ gut in Kontakt mit Einzelnen, die beispielsweise überrascht sind, dass sie in ihrer Kultursprache kirchlich angesprochen werden“, sagt Lukas Klette. Gerade weil er online so aktiv ist, befasst er sich auch mit kritischen Fragen zur „Kirche im Internet“:
„Für die meisten Menschen, die es nutzen, ist das Internet erstmal ein weiterer Kommunikationsraum, der immer mitläuft. Wer auf dem Handy chattet, nutzt das Internet – und ist sich dessen vielleicht gar nicht bewusst. Natürlich brauchen wir Kirche in diesem Internet. Nur: Mit welchen Zielen treten wir dort auf? Wer von uns tritt dort auf? Wie gehen wir in Begegnungen? Und was erwarten wir uns davon? Diese Fragen scheinen mir bei vielen Angeboten nicht hinreichend geklärt zu sein. Oft genug gehöre ich damit selbst zu den kritischen Stimmen der „Kirche im Internet“.“
Kirche online - #leidergeil
Als Quelle der Inspiration sieht Emilia Handke die digitale Welt. Internetangebote dürfen aber nicht beliebig sein, sondern müssen gut gemacht werden, meint sie.
„Das Internet ist zum Biotop des modernen Menschen geworden. Hier wird gesucht, verglichen, gebucht … Klar sollte Kirche da präsent sein. Aber nicht um der bloßen Präsenz Willen, sondern eben #leidergeil. Anders ausgedrückt: Persönlich, geistlich tiefsinnig, kreativ, überraschend.“ Die Pastorin ist Leiterin von „Kirche im Dialog“ und setzt bei der Arbeit viel auf die Online-Kommunikation. „Was wir ‚forschen, inspirieren, machen‘ findet man selbstverständlich auch auf www.kircheimdialog.de. Die Wohnzimmerkirche hat eine Instagram-Variante, die ‚Liturgien der Verheißung‘ sind eine frei zugängliche Online-Datenbank, die Aktionen der Pop Up Church werden dort aufbereitet, die ‚Ritualagentur‘ wird die Menschen abholen, wo sie sind: online. Für mich ist das Netz Quelle vielfältiger Inspiration.“
Kirche wird digitaler
Der Trend zu digitalen Angeboten ist nicht nur bei der Evangelischen Kirche in Hamburg zu spüren. Die EKD, die Evangelische Kirche in Deutschland, hat in zwei Studien wissenschaftlich untersucht, wie sich das kirchliche Leben unter Corona entwickelt hat. Das Ergebnis: Der evangelische Gottesdienst ist kreativer und digitaler geworden. Der herkömmliche Kirchgang behält seinen Stellenwert, wird nach Corona aber vielfältiger.
„An vielen Orten ist nach dem Lockdown eine Stärkung des Gottesdienstes zu erkennen und zugleich ein Aufbruch von innen“, so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. „Haupt- wie Ehrenamtliche haben in der Corona-Krise noch einmal neu wahrgenommen, was die Menschen sich erhoffen. Dazu zählt eine Kirche, die nah dran ist an den Sorgen der Menschen, die in Notlagen ein offenes Ohr hat und neben handfester Unterstützung auch Kraftorte für die Seele bietet. Diese Orientierung an den Bedürfnissen darf uns auch nach der Krise nicht mehr verloren gehen“, so Bedford-Strohm.