Er gehe „ohne Not“ und mit Wehmut, sagt er: „Doch es war sinnvoll, jetzt noch mal was Neues zu beginnen.“ Zum ersten Februar tritt er seine Stelle als Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Dienstsitz in Berlin an. Seinen ersten öffentlichen Auftritt im neuen Amt hat er am 14. Februar beim Ökumenischen Empfang auf der Berlinale.
Zuvor jedoch feiert er jedoch am kommenden Dienstag mit einem katholischen Kollegen Andacht in Erinnerung an die Befreiung des KZ Auschwitz, im Mahnmal St. Nikolai an der Willy-Brandt-Straße. Ein Ort, der Claussen am Herzen liegt.
Die ehemalige Hauptkirche St. Nikolai wurde 1943 während der Luftangriffe zerstört. Sie ist heute Hamburgs zentraler Erinnerungsort für die Opfer von Krieg und Gewalt in der Nazi-Zeit. Claussen ist noch Hauptpastor an der „neuen“ St. Nikolai-Kirche am Klosterstern und daher zuständig. Das Museum mit seiner gut aufbereitetet Dokumentation und vielen Veranstaltungen begeistert ihn. „Hier wird Gedenkkultur gelebt“, sagt er.
"Meine neue Aufgabe bietet viel Gestaltungsfreiheit"
Die guten Erfahrungen will er mit in sein neues Amt nehmen und Erinnerungskultur zu einem Schwerpunkt machen. Doch zunächst wird er sich orientieren und Kontakte in der Hauptstadt knüpfen: „Meine neue Aufgabe bietet viel Gestaltungsfreiheit“, sagt er. Wohnen bleibt der dreifache Familienvater in Hamburg. Zwei seiner Kinder gehen hier noch zur Schule.
Claussen ist ein profilierter Theologe, mit einem Ruf weit über die Stadt hinaus. Er denkt gerne öffentlich nach, ist gefragter Gastautor überregionaler Medien wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ und der Süddeutschen Zeitung.
Seine Habilitationsschrift handelte von „Glück und Gegenglück“. Mit seinen Büchern etwa über die Kirchenmusik und die Geschichte des Kirchenbaus spricht er eine breitere Leserschaft an. Seit 2011 ist er Präsident des bundesweiten Evangelischen Kirchbautags. Immer hätten ihn auch Aufgaben zu seinen Themen geführt, sagt er.
Als Propst war er für kirchliche Gebäude zuständig
So war er als Propst unter anderem für die kirchlichen Gebäude im Kirchenkreis zuständig. Bereits um die Jahrtausendwende habe sein Vorgänger damit begonnen, den Bestand kritisch unter die Lupe zu nehmen, erzählt er. „Klar war schon damals: Wir werden nicht alle Kirchen und Gemeindehäuser in eigener Nutzung halten können.“
Seine Aufgabe war nicht immer leicht. Als die Kapernaumkirche in Hamburg-Horn 2012 an eine Moscheegemeinde verkauft wurde, stellte er sich hinter die Entscheidung. Allerdings soll sie ein Einzelfall bleiben. Man habe Lehrgeld gezahlt, sagt er: „Heute haben die Gemeinden gute Wege etabliert, um Lösungen für Gebäude zu finden, die sie nicht unterhalten können.“
Zu Weihnachten gab er Suppe an Flüchtlinge aus
Und so freut ihn auch, dass das ehemalige Kirchenkreisgebäude „Neue Burg“ neben dem Mahnmal St. Nikolai seit Mitte November zumindest übergangsweise als Transitunterkunft für Flüchtlinge genutzt wird. Mit seinen beiden älteren Kindern hat er dort zur Weihnachtszeit Suppe ausgegeben.
Seine Bücher schreibt er in „zusammengestohlenen Stunden“, auch früh am Morgen am heimischen Schreibtisch. Kollegen berichten von der Isomatte im Schrank, die er mittags manchmal für ein Nickerchen ausrollt. Er hofft, dass in seiner neuen Stelle mehr Stunden zum Schreiben bleiben und er weniger Zeit für Sitzungen opfern muss.
Wie zuvor wird er Kirche in öffentlichen Debatten vertreten als eine Institution, die nah an den Fragen der Menschen ist. Auf die Frage, wie er das Zusammenspiel von Kultur und Religion sieht, antwortet er: „Allein ein religiöses Bedürfnis zu haben ist eine kulturelle Leistung.“ Und spitzt lächelnd zu: „Jedes schön formulierte Gebet ist auch ein Weltkulturerbe.“