„Gnädiger miteinander umgehen“ Bischöfin Kirsten Fehrs - Einführungsgottesdienst in Lübeck

Die neue Bischöfin hatte im Dom die Vision eines Gnadenjahres entworfen. Vor mehreren hundert Gästen aus Kirchen, Politik und Gesellschaft sowie der internationalen Ökumene zitierte sie in Anlehnung an Jesu erste öffentliche Predigt in seiner Heimatstadt Nazareth den Propheten Jesaja: „Der Geist des Herrn ist auf mir, zu verkündigen das Evangelium den Gefangenen, dass sie frei sein sollen und den Blinden, dass sie sehen sollen, und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen, zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn.“ Dies könne bewirken, dass die Menschen gnädiger miteinander umgingen und Hoffnung spendeten.

 

Hetzreden Einhalt gebieten

Bischöfin Fehrs sah in ihrer Predigt große Aufgaben für die Zukunft: „Die Welt ist total aus dem Lot – und wir als Teil dieser Welt sind es mit. Seelisch – wenn wir in dieser Schnelllebigkeit nicht endlich die Pause zu ihrem Recht kommen lassen. Ökologisch – wenn wir nicht endlich auf internationalen Klimakonferenzen wirksame Beschlüsse fassen. Religiös – wenn wir nicht endlich couragiert fundamentalistischen Hetzreden Einhalt gebieten.“

 

Außerdem sei die Bischöfin alarmiert, dass religionsfeindliche Positionen salonfähig werden könnten. Dies sollte alle unruhig machen. „Es ist deshalb unsere gemeinsame Aufgabe, als Religionen und Konfessionen gegen Intoleranz eine Ökumene der Dialogkultur zu leben – mit Muslimen, Juden, Buddhisten und untereinander als Christen aller Couleur.“ Gott dürfe nicht in Vergessenheit geraten, denn die Gesellschaft brauche ihn und Menschen, die uns eine Vorstellung gäben von Gottes Möglichkeiten in dieser Welt.

 

Aktiv gegen Nazis

Die Politik und Kirchen vereine das Entsetzen und die aktive Demonstration gegen Rechts. Es gelte deshalb gemeinsam zu überlegen, was es Jugendlichen erleichtern könnte, aus dem Teufelskreis rechter Gewalt auszusteigen. Auch wenn man Zweifel haben könne, Gewaltbereite mit einem gnädigen Wort zu erreichen, es dürfe uns nicht daran hindern, auch auf diese Weise gegenzuhalten. „Auch ein Widerwort ist ein Hoffnungswort“, ergänzte Fehrs.

 

Eingeführt wurde Fehrs vom Schleswiger Amtsbruder Gerhard Ulrich in seiner Eigenschaft als Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD). Fehrs habe die Gabe, auf Menschen in unkomplizierter Weise zuzugehen, sagte Ulrich. Ihre Botschaft verkünde sie humorvoll und zupackend. Mit ihren Runden Tischen in Hamburg stehe sie für eine gute Gesprächskultur.

 

Mehrere hundert Menschen hatten den Gottesdienst im Dom verfolgt, der zum Teil in englischer und dänischer Sprache gehalten wurde. Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sei das Zusammenwachsen von Ost und West in der Nordkirche ein "bedeutsamer Prozess", sagte der sächsische Landesbischof Jochen Bohl, Vertreter des EKD-Rates. Der pommersche Bischof Hans-Jürgen Abromeit betonte, die Kirche müsse ein Vorbild für die Einheit von Ost und West sein. Er wisse aus eigener Erfahrung, so der katholische Erzbischof Werner Thissen, wie viel Einfühlungsvermögen und Geduld für ein Zusammenwachsen von Ost und West notwendig sei.

 

Hamburgs Innensenator Michael Neumann überbrachte das Grußwort der Hansestadt und sagte: "Wir sind gespannt auf die Impulse, die Kirsten Fehrs setzen wird, beispielsweise im Bereich der sozialen Stadtentwicklung und für das kulturelle wie interkulturelle Zusammenleben der Menschen in unserer Stadt.“

 

In dem Gottesdienst wurde auch der Ständige Bischofsvertreter Jürgen F. Bollmann (64) verabschiedet, der nach dem Rücktritt von Jepsen die Amtsgeschäfte geführt hatte. Er bleibt noch bis Mai als Stellvertreter von Fehrs im Amt.

 

Zuständig ist Fehrs für den Sprengel Hamburg und Lübeck mit rund 900.000 Kirchenmitgliedern in 226 Gemeinden. Der Bischofsbezirk umfasst die beiden Hansestädte Hamburg und Lübeck, das Hamburger Umland und den Kreis Herzogtum Lauenburg. Darüber hinaus wird Fehrs in der Landeskirche auch überregionale Aufgaben wie Bildungsarbeit und Seelsorgedienste übernehmen. Gemeinsam mit ihren Amtsbrüdern Bischof Gerhard Ulrich (Vorsitzender der Nordelbischen Kirchenleitung) und dem Bischofsbevollmächtigten Gothart Magaard (Schleswig) bildet sie das nordelbische Bischofskollegium.