Die Frau verstand sich selbst nicht mehr. So lange hatte sie sich ein Kind gewünscht. Mit 43 war sie endlich schwanger geworden. Doch jetzt, kurz vor dem Abitur ihrer Tochter, spürte sie eine Leere in sich. Wo führte ihr Leben hin? Durfte sie überhaupt so fühlen, war das nicht undankbar? Mit ihren Freundinnen wollte sie darüber nicht sprechen. So kam sie an einem Sonnabend Nachmittag ins Beratungs- und Seelsorgezentrum St. Petri.
„Allein die Tatsache, dass ihr jemand zuhörte, nahm ihr den Druck“, erinnert sich die Beraterin, die wie alle, die hier arbeiten, anonym bleiben will. „Sie konnte anerkennen, dass sie gerade in einer schwierigen Lebenssituation war. Dadurch wurde sie weniger streng mit sich und gelöster – eine gute Voraussetzung, um Lösungen zu finden.“
Niemand wird abgewiesen
Das Beratungs- und Seelsorgezentrum St. Petri liegt zwischen Geschäften, in denen alles einen Preis hat. Doch wer in das Backsteingebäude neben der Kirche geht, muss nichts bezahlen. Er braucht auch keinen Termin zu vereinbaren, wie in anderen Beratungsstellen. „Niemand wird abgewiesen“, sagt Leiter Pastor Reinhard Dircks.
An diesem Montag wird das Zentrum Gastgeber sein für die Jahrestagung des „Netzwerks der Offenen Türen“, eines bundesweiten Zusammenschlusses von Seelsorge-Einrichtungen. Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs wird die Teilnehmer begrüßen.
Gespräche auf Augenhöhe
Sie wird auch auf das Besondere der Einrichtung verweisen: Seit der Gründung im Jahr 1970 gehört es zum Prinzip, dass Laien beraten. „Dadurch können die Gespräche auf Augenhöhe stattfinden“, sagt Leiter Pastor Reinhard Dircks. Auch in seiner Größe sei das Beratungszentrum einzigartig in Deutschland: Es hat jeden Tag geöffnet. 150 Ehrenamtliche gehören zum Team.
Rund 5000 Männer und Frauen nehmen pro Jahr Kontakt auf. Viele sind zwischen 50 und 70 Jahre alt. Sie kommen einmal, manche regelmäßig oder sie lassen sich telefonisch beraten.
Raum gegen für Lösungen
Einsamkeit ist ein großes Thema, Krisen, psychische Krankheiten, Probleme mit dem Partner. „Wir raten nichts. Es geht darum, einen Raum zu schaffen. Die Lösung liegt in den Menschen selbst“, sagt Dircks.
Ein Pool aus 25 Fachberaterinnen und Therapeuten ist an das Zentrum angegliedert. Wer eine fachliche Begleitung wünscht, kann sich innerhalb von 14 Tagen einen Therapeuten vermitteln lassen. Diese Beratung ist nicht kostenlos. „Sie soll aber auch nicht am Geld scheitern“, sagt Dircks.
Die Fachberater bieten auch Seminare an: zum Umgang mit Stress, zum richtigen Streiten oder über das Thema „Verzeihen“. Finanziert wird das Zentrum von der Gemeinde und vom Kirchenkreis Hamburg-Ost. Es ist auf Spenden angewiesen.
Ein wichtiger Termin ist der Gottesdienst für alleinstehende und einsame Menschen zu Heiligabend. Rund 200 Menschen kamen im vergangenen Jahr, sie feierten und aßen gemeinsam in der Kirche.
Dircks erinnert sich an das Gespräch mit einer Frau, die unter psychotischen Zuständen litt, aber noch nie Beratungszentrum gewesen war. Ihr reiche es, das Haus zu sehen und zu wissen, dass im Notfall ist jemand für sie da sei: „Das gab ihr Hoffnung.“
Seelsorge- und Beratungszentrum St. Petri
Öffnungszeiten: Montags bis sonnabends 11-18 Uhr,
mittwochs bis 21 Uhr, sonntags 11.30-15 Uhr
Telefon: 040/32 50 38 70
Spendenkonto:
Hauptkirche St. Petri Hamburg
IBAN: DE10 20050550 1082 210 616
BIC: HASPDEHHXXX
Stichwort: Für BSZ