Telefonseelsorge Zuhören bewegt

Anrufer und Mitarbeiter der Telefonseelsorge bleiben anonym

Der Anruf erreichte sie eine Stunde vor dem Ende ihrer Schicht. Eine Krankenschwester meldete sich. Eine ihrer Patientinnen habe um telefonische Sterbebegleitung gebeten. Ob sie dazu bereit sei? Jutta Paulsen*, seit vielen Jahren ehrenamtliche Telefonseelsorgerin, sagte ohne Zögern ja.

Was danach passierte, war ergreifend. Sie hörte die matte Stimme einer jungen Frau, die im Sterben lag, las ihr ein Gebet vor, weil die Anruferin sich das gewünscht hatte. Eine Viertelstunde verging. Dann hörte Jutta Paulsen ein paar schwere Atemzüge, bis es am anderen Ende still wurde.

Wenig später klang die Stimme der Krankenschwester wieder an ihrem Ohr. Sie bedankte sich, auch im Namen der Angehörigen. Die junge Frau hatte die Anonymität am Telefon vorgezogen für ihren letzten Weg.

Als sie aufgelegt hatte, atmete Jutta Paulsen tief durch. Für die restliche Schicht ließ sie sich von einer Kollegin vertreten. Dass die Sterbende im Krankenhaus ihr so bedingungslos das Vertrauen geschenkt hatte, stimmt sie bis heute dankbar. Und noch etwas findet sie an ihrer Arbeit gut: „Man weiß nie, was einen erwartet, wenn man das Telefon abnimmt“, sagt sie.

Einsamkeit und Beziehungskonflikte gehören zu den häufigsten Themen

Jutta Paulsen ist eine von 90 Ehrenamtlichen, die für die Evangelische Telefonseelsorge in Hamburg im Einsatz sind. Die ist rund um die Uhr gebührenfrei unter der Rufnummer 0800/111 0111 erreichbar. Einsamkeit, Armut, Gewalterfahrungen, Konflikte in Partnerschaft und Familie und psychische Krisen gehören zu den häufigsten Themen.

Wer die Nummer der Telefonseelsorge wählt, schätzt die Anonymität am Telefon und die intime Gesprächssituation. „Dasein und Zuhören ist das Kostbarste, das wir geben können“, sagt Leiterin Babette Glöckner. Wenn eine Anruferin es wünscht, geben die Mitarbeitenden Telefonnummern von Beratungsstellen und Adressen weiter.

26.000 Anrufe nehmen sie im Jahr entgegen. Der Bedarf sei jedoch weitaus höher, sagt Glöckner. Daher sucht die Telefonseelsorge Menschen, die gerne zuhören, sich einfühlen und abgrenzen können. Im Frühjahr startet ein neuer Kurs.

"Wir brauchen Menschen, die gut in Beziehungen sind"

Ein Jahr dauert die Ausbildung: Die Gruppe trifft sich einmal in der Woche und an vier Wochenende im Jahr. Die Teilnehmenden hospitieren bei erfahrenen Kolleginnen und üben Standardsituationen in Rollenspielen: Wie geht man mit Daueranrufern um, oder solchen, die gar nicht mehr auflegen möchten? Wie reagiert man, wenn ein Anrufer beten möchte, man selbst aber nicht? Wie, wenn ein Thema zur Sprache kommt, das einen selbst stark berührt?

Wer sich engagieren möchte, kann während einer Zulassungstagung herausfinden, ob dieses Ehrenamt wirklich passt. „Wir brauchen Menschen, die gut in Beziehungen sind – auch zu sich selbst“, sagt Glöckner. Nach Abschluss der Ausbildung verpflichten sich die Teilnehmer, drei Jahre lang regelmäßig Schichten zu übernehmen. In einer Supervisionsgruppe tauschen sie sich aus.

Die Mitarbeiten kommen aus allen Altersstufen und Berufen. Viele entwickelten sich durch die Arbeit bei der Telefonseelsorge persönlich weiter, weiß Glöckner. Das Telefonieren öffne fremde Welten und sporne manchmal an, eigene, brachliegende Themen in Angriff zu nehmen. „Bei uns zu arbeiten heißt, am Anderen zu wachsen.“

*Name geändert

Interessierte können sich melden bei der Evangelischen Telefonseelsorge Hamburg unter 040/30620-358 oder schreiben an telefonseelsorge@diakonie-hamburg.de