Die Woche beginnt für Heinz Naber früh: Um 6 Uhr ist der Rentner am Montagmorgen aufgestanden. Und das, obwohl er eigentlich schon in Rente ist. Doch der 80-Jährige hat Verpflichtungen: Zwölf Obdachlose verlassen sich darauf, dass er ihnen ein Frühstück zubereitet. Zusammen mit sieben anderen Ehrenamtlichen betreut Naber seit 2002 den Winter über Männer aus Polen, Rumänien, Österreich und Deutschland, die eigentlich auf der Straße leben. „Wenn man Christ ist, ist einem die Not des Anderen nicht egal“, sagt er.
Auf dem Hinterhof der Christuskirchengemeinde in Altona stehen sechs Wohncontainer mit jeweils zwei Betten, die den Obdachlosen von November bis März Schutz bieten. Dazu ein Container mit Sanitäranlagen und einer, der als Frühstücksraum dient. Es ist ein Standort von vielen, den die Hamburger Diakonie betreibt. Bei 21 Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen in der ganzen Stadt stehen solche Container, überall betreuen Gemeindemitglieder die darin lebenden Obdachlosen. Insgesamt haben dadurch 90 Obdachlose für den Winter ein Dach über dem Kopf. Das Geld dafür – 330.000 Euro – kommt aus der Sozialbehörde, die Bewohner vermittelt das Diakonie-Zentrum für Wohnungslose in der Bundesstraße.
Oft Beginn für einen Neustart
Für die Obdachlosen sind die Wohncontainer etwas ganz Besonderes. Denn hier müssen sie – anders als aus den Großunterkünften der Stadt mit bis zu 400 Plätzen – nicht tagsüber raus in die Kälte, wenn sie das nicht wollen. Auch eine Tür zu haben, die man hinter sich abschließen kann, ist für diese Menschen wertvoll. „Sie finden hier einen Raum, in dem sie zu sich selber finden können“, sagt Heinz Naber und schiebt hinterher: „Und in ein neues Leben starten, wenn sie das wollen.“
Wollen sie das, bekommen sie tatkräftige Unterstützung von den Gemeindemitgliedern. Naber begleitet die Obdachlosen auf Wunsch zu Behörden und Ämtern. Er kümmert sich um ihren Antrag auf Grundsicherung, Krankenversicherung oder das Aufenthaltsrecht. Alleine würden sie das nach Jahren auf der Straße oft nicht schaffen, erzählt er: „Die Leute haben nicht mehr die Energie, Forderungen zu stellen oder sich beraten zu lassen. Dann nehmen wir sie an die Hand.“
In den Genuss einer solchen intensiven Betreuung kommt nicht jeder. Die Nachfrage nach den Containerplätzen ist in jedem Jahr viel höher, als das Angebot. Deshalb müssen die Obdachlosen ein kompliziertes Verfahren im Diakonie-Zentrum durchlaufen, um eine Chance auf einen der begehrten Wohncontainer für den Winter zu bekommen.
Dafür gelten klare Regeln: Wer seine Suchterkrankung etwa nicht im Griff hat, den verweisen die Sozialarbeiter der Diakonie an das Winternotprogramm der Stadt. Für die ehrenamtlichen Betreuer in den Kirchengemeinden wäre das sonst nicht zu schaffen. „Wir sind keine Therapeuten“, sagt Heinz Naber. Trotzdem gebe es immer mal wieder auch Probleme, auch mit Alkoholismus: „Dann können die Leute im Nachbarcontainer nicht schlafen, weil nebenan eine Schlägerei ist“, sagt der 80-Jährige.
Die Erfolge zählen
Doch das sind nicht die Geschichten, die er erzählen möchte. Naber redet lieber über die Erfolge, die das diakonische Winternotprogramm mit der Hilfe von Ehrenamtlichen wie ihm erzielt. Da ist zum Beispiel die Geschichte von dem ehemaligen Obdachlosen, der im vergangenen Winter aus dem Wohncontainer heraus eine Wohnung und eine Arbeitsstelle gefunden hat, beides in Cuxhaven. „Der ruft mich alle 14 Tage an und erzählt mir, wie es ihm geht“, sagt Naber zufrieden. Dann hat sich die ganze Mühe wirklich gelohnt.
Der Autor arbeitet hauptberuflich als Redakteur bei Hinz&Kunzt