Gastbeitrag Wie viel Auferstehung tut uns eigentlich gut?

Eine Geschichte von „Herrn K.“, frei nach Berthold Brecht: Einer fragte Herrn K. ob es eine Auferstehung gäbe. Herr K. sagte: „Ich rate dir nachzudenken, ob dein Verhalten je nach der Antwort auf diese Frage sich ändern würde. Würde es sich nicht ändern, dann könnten wir die Frage fallen lassen. Würde es sich ändern, dann kann ich dir wenigstens noch soweit behilflich sein, dass ich dir sage, du hast dich schon entschieden: Du brauchst die Auferstehung.“

 

Verändert die Auferstehung etwas in unserem Leben? Tröstet uns der Gedanke an die Auferstehung? Wenn wir die Auferstehung „brauchen“, um dieses Leben erträglich zu finden, könnte sie zu einer Vertröstung auf bessere Zeiten werden. Wenn wir für das Leid, das wir hier erdulden, nach der Auferstehung von Gott „entschädigt“ werden, dann kann es sein, dass wir dieses Leben auf der Erde nicht ernst genug nehmen und uns nicht mit letzter Kraft gegen das Leid und das Unrecht einsetzen.

 

Jesus hat sein irdisches Leben und die Menschen mit ihren Freuden und Nöten hundertprozentig ernst genommen. Wenn die Evangelien von seinem Mitgefühl erzählen, wählen sie ein Wort, das genau genommen heißt: „Und es fuhr ihm in die Eingeweide“.

 

Ich liebe dieses Wort, weil es so körperlich ist. Wenn mir ein Schreck oder ein Leid richtig in die Eingeweide fährt, dann ist, wenigstens für einen Augenblick, kein Distanzieren möglich. Dann leide ich unmittelbar mit einem Menschen mit. Dann beuge ich mich auch nicht gnädig zu jemandem herab, ich der Überlegene zu einem Unterlegenen. Mitgefühl oder Mitleid wird ja manchmal so verstanden, als ob es einen gibt, dem es gut geht, der sich helfend herabbeugt zu einem, dem es schlecht geht. Wenn mir ein Leid „in die Eingeweide fährt“, dann bin ich für einen Augenblick im Leid mit meinem Mitmenschen verbunden.

 

Das war die Lebenshaltung Jesu. So intensiv hat er mit seinen Mitmenschen mitgefühlt. Er hat sich auf sie eingelassen. Und er hat sie nicht vertröstet. Genau genommen hat Jesus auch fast nie über die Auferstehung gesprochen. Gegenüber einem Sadduzäer, der die Auferstehung leugnete, hat er sie verteidigt. Aber er hat zu den Menschen, die sich an ihn wandten, nie vom Jenseits, sondern immer vom Diesseits gesprochen. Auch das Reich Gottes war für ihn Teil des Diesseits. Er hat Menschen geheilt und gestärkt, um dieses irdische Leben besser bestehen zu können. Provozierend könnte man sagen: Jesus hat das Leid der Menschen so ernst genommen, als ob es eine Auferstehung nicht gäbe.

 

Darin sollten wir ihm nachfolgen. Das ist aber nicht leicht. Unsere Trostworte überspringen oft das Leid. Manchmal sagen wir „Das wird schon wieder“. Aber vielleicht wird es nicht wieder gut. Und wir wissen das auch. Aber wir halten das nicht aus. Als ob irgendwie ein happy end in die Geschichte eingebaut werden müsste, auch da wo kein happy end ist.

 

Wie kann die Auferstehung zur Sprache kommen, ohne dass sie zur Vertröstung wird? Ich stelle mir die Auferstehung als einen neuen Lebensraum vor, den Gott mir schenkt. Später, nach dem Tod. Aber als eine Ahnung davon erfahre ich diesen Raum schon jetzt. Darin wird es möglich, mein Leben ehrlich anzusehen. Hier ist Klage möglich, auch Klage gegen Gott. Das Tröstliche an der Auferstehung ist, nicht länger lügen zu müssen über mein Leben, nichts beschönigen, nichts verteidigen zu müssen. In dem Lebensraum der Auferstehung halte ich das aus, hält das Leben es aus.

 

Der Lebensraum der Auferstehung erträgt die Beunruhigung, die der Glaube mit sich bringt. Die Beunruhigung über eine Welt, über der man manchmal den Verstand verlieren muss, wenn man noch einen hat. Es klingt paradox, aber die Auferstehung tröstet mich dadurch, dass sie mir die Kraft gibt, mich beunruhigen zu lassen. Dieser Glaube stärkt mich mitten im Leben. Aber er nimmt dem Leben nichts weg. Schon gar nicht seine Verantwortung.

 

Vielleicht ist es umgekehrt, als Herr K. denkt. Wenn ich die Auferstehung „brauche“, steht sie mir im Wege. Wenn ich sie nicht „brauche“, erfüllt sie mein Leben.

 

Dr. Horst Gorski ist Propst im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein