Die Kunstwerke sollen Kommentar und Ergänzung der jeweiligen Kirche sein. „Wir reagieren mit den Kunstwerken auf die Gestaltung der Kirchen und bestimmte Anlässe in den Kirchen“, erklärt Alexander Ochs, der die Ausstellung kuratiert. Er betont, dass die Arbeiten aber nicht theologisiert würden. „Es handelt sich um zeitgenössische Kunst ohne religiösen Hintergrund.“
Die beteiligten evangelischen und katholischen Kirchen und Kapellen werden während des Ausstellungszeitraums vom 27. Mai bis zum 22. Juli täglich außer montags von 12 bis 17 Uhr geöffnet sein – und darüber hinaus zu ihren regulären Öffnungszeiten. Ein Begleitprogramm mit Künstlergesprächen, Diskussionen und Vorträgen lädt zur weiteren Auseinandersetzung ein. Mehr Infos gibt es hier.
Kunst und Kirche kommen wieder miteinander ins Gespräch
Kunst und Kirche gehen bei „Hinsehen.Reinhören“ einen Dialog ein. Was das bedeutet, erklärt Ochs am Beispiel Marien-Dom. „Nach meinem Eindruck ist der Mariendom eine Kirche, in dem der Schmerz bild-ikonografisch nicht mehr vorkommt. Mit den Kunstwerken holen wir den Schmerz zurück in die Kirche.“
In der Hauptkirche St. Katharinen steht die Geschichte der Heiligen Katharina und ihr Schicksal des Todes durch Erstreckung am Rad im Vordergrund. Die aktuelle Ausstellung reagiert auf dieses Ereignis, indem es eine Rad-Installation von Ai WeiWei zeigt. Bei anderen in der Hauptkirche gezeigten Exponaten geht es um Themen wie Abtrennung vom Außen und schließlich aber auch um Vereinigung und Zusammenführung, zum Beispiel bei „the universe in a pearl“ , einer Installation von Rebecca Horn. Ob Hauptkirche St. Katharinen, Hauptkirche St. Jacobi, St. Marien-Dom, St. Georgskirche am Hauptbahnhof oder das Ökumenische Forum HafenCity: An jedem Ausstellungsort stehen jeweils andere Aspekte im Vordergrund.
Bereits über 30 Ausstellungen in Kirchen kuratiert
Kurator Ochs ist als Kunsthändler, Musikproduzent, Kurator und Autor tätig, seit 1997 bis heute auch als Galerist in Berlin. Er war Kurator zahlreicher Ausstellungen in Museen in Brasilien, China, Deutschland, Indonesien, der Mongolei und Ungarn. Vor elf Jahren gestaltete er in Berlin zum ersten Mal eine Ausstellung in einer Kirche. Seither hat Ochs rund dreißig Ausstellungen in Kirchen kuratiert, darunter DU SOLLST DIR (K)EIN BILD MACHEN., 2016 im Berliner Dom, und SEIN.ANTLITZ.KÖRPER. KIRCHEN ÖFFNEN SICH DER KUNST., 2017 in Berlin, Eisenach und Jerusalem. Er ist selbst evangelischer Christ.
Der Ausstellungsort Kirche ist für ihn ein geschichtlich gewachsener, in den sich zeitgenössische Kunstwerke einfügen können. Das haben die Kirchen herkömmlichen Ausstellungsorten voraus. Sie bieten laut Ochs einen Kontext, der in Museen oder Galerien erst geschaffen werden müsse.
Nachdem Kirche und Kunst sich im 20. Jahrhundert voneinander entfernt hatten, treten sie in Projekten wie "HInsehen.Reinhören" wieder in eine Beziehung und einen Dialog zueinander. Kunst und Kirche passen laut Ochs aber allein schon deshalb zusammen, da Kirchen per se Orte der Meditation sind, an denen es sich wunderbar auch über ausgestellte Kunst meditieren lässt.
Ai WeiWei und St. Katharinen im Dialog
Die Auswahl der Kunstwerke ist das Ergebnis eines zweijährigen Prozesses, in dem Ochs auf seinen Bauch und sein Unterbewusstsein hörte. Dass derart renommierte Künstlerinnen und Künstler zum Portfolio gehören, geht auf seine guten Beziehungen innerhalb der Branche zurück.
Mit Ai WeiWei ist er seit Mitte der Neunziger befreundet. Sie lernten sich in Peking kennen, als Ochs noch eine dortige Galerie leitete. Ochs half Ai WeiWei unter anderem dabei, seinen Reisepass wiederzuerlangen und in den Westen zu kommen, nachdem der Künstler zunächst im Gefängnis in China gesessen und dann Reiseverbot von der Regierung bekommen hatte.
Als Ochs ihm von „Hinsehen.Reinhören“ und der Geschichte der Heiligen Katharina erzählte, gab Ai WeiWei sofort sein Einverständnis, seine Installation aus Rädern in St. Katharinen auszustellen. Auch er war sofort überzeugt, dass das Kunstwerk mit der Kirche einen passenden Dialog eingehe.