Reportage aus der Kirche der Stille "Wenn Sie Zeit haben wollen, lernen Sie schweigen"

Der Zen-Meister glaubt nämlich, dass Tiefgang und spirituelle Erfahrung nur mit Humor zusammen gehen. Im Umkehrschluss heißt das: "Wer keinen Humor hat, kann kein spiritueller Mensch sein." Die Zuhörer prusten. Humor sei eine ernste Sache, setzt Brantschen verschmitzt nach. Es gehe darum, Abstand zu nehmen vom Vordergründigen, um in tiefere Ebenen vorzudringen: „Das Gehabe und das Gerede bin ich nicht.“ Oder: „Ich bin mehr als mein Beruf. - Erst dann kann ich zu mir kommen“, sagt er.

 

Stille ermöglicht eine Kultur der Weisheit

In seinem schwarzen Pullover mit der weiten Weste steht Brantschen vor den Stuhlreihen und mustert die Zuhörer. Es scheint, als ob er prüft, wann und wie viel Stoff er nachlegen kann. Er macht Pausen. Er hat Zeit. "Die Stille", sagt er, "und die Kontemplation, also die Sicht nach Innen, ermöglichen eine Kultur der Weisheit". Er legt nach, findet Worte, die berühren, verwundern, neugierig machen.

 

"Wenn Sie Zeit haben wollen, lernen Sie schweigen." Wieder so ein Satz, der hinhören lässt. Und nach Augustinus und Gregor dem Großen zitiert er Max Picard, einen schweizer Philosophen: "Die Zeit nimmt zu im Schweigen.“ Eine Erfahrung, die Meditierende kennen. Brantschen folgert daraus: "Wer keine Zeit hat, kann kein spiritueller Mensch sein." Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Die Verknüpfung provoziert. Aber der Schweizer ist auch ein Schlitzohr, ein charmantes. Denn, wer leidet heute nicht unter Zeitnot?

 

300 Koans lösen

Zwischendurch bittet er die Gäste aufzustehen, den Körper wahrzunehmen. Die Hände zu heben. Das Gewicht zu verlagern, von einem Bein auf das andere. Dann Innehalten. Den Unterschied spüren. Der Ordensmann spielt mit den Worten und den Bedeutungen auch zur Freude der Zuhörer. Brantschen hat bei seiner Schulung in Japan den Zen kennen gelernt. 300 Koans durfte er lösen. Da hat er viele neue Gedankengänge ausprobiert. Später gründete er seine eigene Kontemplationsschule - eine Synthese von christlicher Mystik und östlicher Meditationstechnik aus dem Zen-Buddhismus.

 

Als der Abend in der Kirche der Stille nach kurzer Meditation und Fragerunde endet, sind die Gesichter der Zuhörer entspannt und erheitert. Wenn man Inspiration sehen kann, dann in dieser Gelassenheit. Wie sagte Brantschen? Widersprüche gehören zum Leben, doch man kann lernen, damit umzugehen und glücklich zu sein.

 

Die Kirche der Stille in Hamburg-Altona wurde 2009 gegründet. In der Kirche können Menschen Stille erleben, meditieren, beten, Kraft schöpfen sowie sich selbst und Gott begegnen. Das Angebot reicht von Kontemplation und verschiedenen mystischen Wegen aus den Weltreligionen bis zu Vorträgen und Gottesdiensten.