Interview zur Afghanistan-Debatte "Wenn du den Frieden willst, bereite den Frieden vor"

Frage: Bischöfin Käßmann argumentierte, dass alle Strategien für eine Befriedung Afghanistans unter Einsatz von Waffen bisher gescheitert sind. Marianne Subklew-Jeutner, was sagen Sie zu den Äußerungen Käßmanns?

 

Antwort: Ich verstehe die ganze Aufregung überhaupt nicht. - Frau Käßmann hat gesagt "Waffen schaffen auch keinen Frieden in Afghanistan." Das sind Worte einer christlichen Predigt, nicht eines akademischen Vortrages, in dem alle Akzente beleuchtet und berücksichtigt werden sollten. Eine Predigt ist ein anderes Genre. Insofern dürfen in Predigten auch wahre Dinge gesagt werden, die zugespitzt sind. Damit hat Frau Käßmann Recht. Sie hat nicht platt gefordert "Soldaten raus aus Afghanistan". Denn das ist allerdings zu einfach argumentiert. Aber was tatsächlich nötig ist in Afghanistan und in allen anderen Konfliktregionen unserer Erde, ist ein Umdenken in der Konfliktlösung. Mit Fantasie und Geld, mit Nachdenken und Zuhören muss eine Kultur geschaffen werden, in der die zivile Konfliktlösung eindeutig den Vorrang vor der militärischen hat. Die Kirche kann nach ihrem Auftrag und Selbstverständnis nicht Anwältin gewaltförmiger Auseinandersetzungen sein, sondern nur einer gewaltfreien Konflikttransformationen das Wort reden. Deshalb ist von den Christen und den Kirchen zu erwarten, dass sie diese Anwaltschaft eindeutig und profiliert wahrnehmen. Nicht die Kirche fällt den Soldaten in den Rücken, wenn sie ein Umdenken verlangt, sondern die Politik lässt die Soldaten im Regen stehen, weil sie keinen klaren Auftrag definiert hat.

 

Frage: Glauben sie, dass die Debatte einen strategischen Wechsel der Regierung einläuten könnte?


Antwort: Wenn die Aussagen der EKD-Ratsvorsitzenden dazu beitragen könnten, dass es eine sachliche Diskussion über die Ziele und die Mittel des deutschen Einsatzes am Hindukusch geben würde, wäre das gut. Ich befürchte allerdings, dass die gegenseitigen ideologischen Vorbehalte von Gegnern und Befürwortern der bewaffneten Missionen einen ernsthaften Dialog verhindern. Das sieht man auch an der medialen Schelte, mit der Frau Käßmann überzogen wurde.

Denn schließlich sieht nicht nur die evangelische Theologin die Grenzen militärischer Konfliktlösungen. Im Jahr 2004 betonte der Generalmajor der Bundeswehr, Manfred Engelhardt: "Streitkräfte sind nicht geeignet, die Ursachen von Konflikten zu beseitigen. So können sie nicht die wirtschaftliche Perspektivlosigkeit und die damit häufig einhergehende soziale Verelendung beheben. Sie können nicht den kulturellen Identitätsverlust, die politische Repression von Minderheiten sowie die allgemeine staatliche Disfunktionalität beseitigen."

Ich glaube, es wird notwendig sein, dass die Politiker und die Militärs genau analysieren, was in Afghanistan mit der bewaffneten Mission erreicht werden sollte, was erreicht wurde und was erreicht werden soll, damit die bewaffnete Mission beendet werden kann.


Frage: Was könnte helfen, in Afghanistan Frieden zu stiften. Wie könnte ein „Friedenszeugnis“ in dem aktuellen Konflikt aus evangelischer Sicht aussehen?


Antwort: Es ist außerordentlich wichtig, die verschiedenen Akteure in Afghanistan, auch gemäßigte Taliban an einen Tisch zu bekommen. Außerdem müsste ein Vielfaches an den finanziellen Mitteln, die gegenwärtig für die militärischen Optionen ausgegeben werden, für den zivilen Aufbau des Landes, für den Bau von Schulen und Krankenhäusern, für Sportplätze und Kindergärten, für Straßen und Brunnen ausgegeben werden. Außerdem sollte der Aufbau demokratischer Strukturen und Rechtsorgane gefördert werden.


Zivile Konfliktbearbeitung soll Vorrang haben

 

In der Friedensdenkschrift der EKD "Aus Gottes Frieden leben - für gerechten Frieden sorgen" vom Herbst 2007 heißt es unter der Überschrift 'Grenzen internationaler Friedensmissionen': "Eine begründete Aussicht auf Erfolg besteht für bewaffnete Friedensmissionen nur, wenn sie Teil eines friedens- und sicherheitspolitischen Gesamtkonzeptes sind. Dies erfordert u.a. eine präzise Definition des Auftrages, eine sorgfältige Koordination der verschiedenen nationalen, militärischen und zivilen Akteure untereinander. Zudem ist eine realistische Abschätzung notwendig des für die politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung notwendigen Zeithorizonts." Dieses friedens- und sicherheitspolitische Gesamtkonzept ist für Afghanistan nicht erkennbar. Die Aufgabe der Kirchen ist es, die Regierenden und die Regierten daran zu erinnern, dass die zivile Konfliktbearbeitung vor allen militärischen Lösungen den Vorrang haben muss und dass darauf unser Denken, unsere Fantasie und unser Arbeiten gerichtet sein sollte. Es gilt nicht mehr der alte Satz "Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor", sondern: "Wenn du den Frieden willst, bereite den Frieden vor."

 

mk (www.kirche-hamburg.de)