In der Weihnachtszeit geschehen immer wieder wunderbare Begegnungen, für die oft kein Raum ist in unserem Alltag. Bei dem Gottesdienst mit Geflüchteten und Einheimischen, vielsprachig und lebendig, den ich am vierten Advent gefeiert habe. Bei Gesang und Gebet schwanden die kulturellen und sprachlichen Grenzen.
Am heutigen Heiligen Abend werde ich mit Obdachlosen wie in jedem Jahr das Evangelium in Deutsch und in osteuropäischen Sprachen lesen. Beim Weihnachtsgottesdienst der Seemannsmission werden Filipinos und Russen, Deutsche, Ägypter und Chinesen laut und sehnsüchtig von der „Stillen Nacht“ singen. Und ich weiß von vielen Christvespern in unserer Stadt, in denen Kinder aus aller Herren Ländern aufgeregt die Krippenspiele verfolgen werden.
Immer wieder erlebe ich, wie Einwanderer und Flüchtlinge sich von der Weihnachtsfreude anstecken lassen und ganz spontan einen Zugang zu der Botschaft des Festes finden: Dass sich um ein neugeborenes Kind Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft sammeln, Hirten ebenso wie Könige – und dies gleichberechtigt! Dass es Licht wird in dunklen Zeiten und dass Friede auf Erden sein soll. Die Hoffnungskraft dieser alten Worte erreicht die Menschen. Unmittelbar. Wenn sie Krieg hautnah erlebt haben und Hunger und Verlassenheit. Aber auch, wenn Ängste und Einsamkeit das Leben verdunkeln.
Dass Gott in genau diese Welt kommt, ist ein Wunder des Lebens. Mit einer Tiefe, die kaum einen Menschen unberührt lässt. Und so erreicht das Wunder dieser Geburt, das sich in unseren Weihnachtstraditionen wie Tannenbaum und Lebkuchen, Kerzenglanz und Geschenken widerspiegelt, auch diejenigen, die mit dem christlichen Glauben nicht viel anfangen können.
Vielleicht ist Weihnachten sogar das integrativste Fest überhaupt, das wir haben. Weil es gerade in dieser Zeit mit all ihren Spaltungen den Gegenimpuls setzt: Lasst uns in dieser Welt Gemeinschaft leben – mutig und voller Zuversicht!
Kirsten Fehrs, Bischöfin der Nordkirche für Hamburg und Lübeck