Von Paul Steffen
Und nun wiederholt sich in Norwegen eine ähnlich sinnlose Tat mit der Ermordung von Jugendlichen. Das grauenvolle Ereignis aus Norwegen führte allen noch einmal auf verstörende Weise vor Augen wie ohnmächtig Angehörige vor dieser Katastrophe stehen. Dabei wollte der Organisator, die Jugendakademie Neu-Allermöhe den Beteiligten auch Perspektiven aufzeigen. Und ich war als Politologe zum Interview über die wechselhaften Deutsch-Russischen Beziehungen im 20. Jahrhundert eingeladen.
Was ist für mich eine Katastrophe?
Ehrlich gesagt, ich hatte Angst, ob ein offenes Gespräch nach dem Interview für die Zeitzeugen nicht einfach zu viel werden könnte. Und aus der Angst wurde zugleich eine Scheu den Gästen gegenüber, die ich den ganzen Abend einfach nicht abschütteln konnte. Gleich nach der Begrüßung wurden die russischen Kinder mit Begleitung zu einem schönen Spielplatz in der Nähe gebracht und nach meinem Interview beantworteten alle Gäste in Kleingruppen die Frage, was denn für jeden Einzelnen überhaupt eine Katastrophe ist. Antworten, die danach im großen Kreis vorgestellt wurden und die sich mir einprägten. Meist hatten sie mit dem Gefühl der Ohnmacht zu tun. Eine lautete außerdem: Eine Katastrophe teilt dein Leben in davor und danach.“
Die Fragerunde hieß: Wofür sind Katastrophen gut? Was kann man aus einer Katastrophe lernen? Zuvor hatte Peter Marquard, ein Rettungssanitäter der US-Küstenwache von seiner Arbeit berichtet. Er erstellt auch Katastrophenpläne. Doch der Schwerpunkt lag nicht auf Naturkatastrophen, ohnehin eine für diesen Abend etwas schwierige Fragerunde, fand ich. Die Gespräche in den kleinen Runden brachten Verschiedenes hervor... aber aus der Gruppe der direkt Betroffenen kam nur ein leerer Zettel.
Darüber sprechen – sich damit beschäftigen
Ich war an nicht an diesem Tisch. Ich war aber erleichtert zu hören, dass Pastorin Irmela Knaack später sagte, dass die Leute aus Beslan in kleiner Runde erzählten, erzählen wollten und mussten, was damals passiert war. Und wie wichtig das sei, immer wieder darüber zu sprechen.
Über die Möglichkeit zu freien Gesprächen war ich im Nachhinein dankbar, obwohl ich den direkten Austausch doch gemieden hatte. Wohl ein eingeübtes Verhalten von meinen Eltern aus der Kriegsgeneration, die nur ganz selten und offensichtlich ungern über ihre Schreckerlebnisse erzählt hatten. Vielleicht auch eine Überlebenstechnik, wenn einen die Gefühle zu überrollen drohen. Ich wünsche mir immer noch mehr von solchem Austausch, so eine Übung in der Kultur des Gesprächs.
Paul Steffen ist Leiter der Jungen Akademie für Zukunftsfragen – Eine Einrichtung des Ev.-Lutherischen Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein.