Die Idee ist genial: Man stellt einen Chor von 1.500 Sängerinnen und Sängern auf die Bühne. Und braucht sich um den Ticketverkauf nicht mehr zu sorgen. Rund 9.000 Menschen kamen am Sonnabend in die Barclaycard-Arena. Sie wollten das Poporatorium „Luther“ sehen. Und ihre Schwester, ihren Vater, ihre Großmutter singen hören.
Die jüngste Sängerin war acht Jahre alt, die älteste 83. „Der Star des Abends ist der Chor“, hieß es zur Begrüßung von der Stiftung Creative Kirche Witten, die das Projekt auf die Beine gestellt hat.
Monatelang hatten die Sängerinnen und Sänger aus Hamburg und Umgebung geprobt. „Ein irres Gemeinschaftsgefühl ist das“, sagte Iris Böhm vom Popchor Sülldorf-Iserbrook kurz vor der Aufführung.
Am Ende gab es Standing-Ovations. Denn das Musical ist mehr als eine kommerzielle und von Kirche und Bundeskulturbeauftragter geförderte Luther-Show.
Drei Tage im Jahr 1521
Das Publikum tauchte ein in drei Tage des Reichstags zu Worms im Jahr 1521. Luther soll seine Thesen gegen den Ablasshandel widerrufen. Was sie für die Menschen bedeuten und wie er das Gefüge der Mächtigen ins Wanken bringt – all das bringt die Inszenierung packend und unterhaltsam auf den Punkt.
Librettist Michael Kunze („Tanz der Vampire“) stattete die Figuren psychologisch aus und bringt sie so den Zuschauern nahe. Komponist und Produzent Dieter Falk („Pur“) lieferte Songs mit Ohrwurmqualitäten und vielseitigen Arrangements für Chor, Band und Orchester. Der Luther-Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ wird zur mitreißenden Hymne auch für unsere Zeit.
"Wer ist Luther?"
Luther-Darsteller Frank Winkels zeigte eindrucksvoll das Ringen des Reformators und die Entscheidung, seinem Gewissen zu folgen. Seine Worte „Ich bin hindurch“ erinnerte an Jesus’ Kreuzesworte „Es ist vollbracht“.
Doch Luther war kein Messias und kein Held. Und so wurde auch immer wieder gefragt: „Wer ist Luther?“ Ein intelligenter Kniff, der auch Skeptiker überzeugte.
Denn selbst wer vor der Aufführung gezweifelt hatte, ob man aus einer widersprüchlichen Figur und aus Ereignissen Funken schlagen kann, die ein halbes Jahrtausend zurückliegen, war begeistert.
Das „Oratorium der 1.000 Stimmen“ ist eine wirkungsvoll inszenierte Show aus Licht und Musik, freiwilligem Engagement und der guten Botschaft. Es gibt Antworten darauf, warum wir glauben, was wir glauben – und warum es sich lohnt, dafür einzutreten.
Wer das Ereignis verpasst hat, muss erst einmal reisen. Sieben Mal wird das Poporatorium noch aufgeführt, das nächste Mal in Halle in Westfalen. Das vorerst letzte und auch größte Konzert am 29. Oktober in Berlin soll für das ZDF aufgezeichnet werden.