„Die Themen und Probleme sind doch überall die gleichen“, erklärte Lohaus vorab. „Man merkt zum Beispiel schnell, dass der Mechanismus, wie Patriarchat funktioniert, derselbe ist.“ Auch der erschwerte Zugang zu Machtstrukturen sowie sexuelle Belästigung sind universale Probleme. Um einen kulturübergreifenden Feminismus voranzubringen, müsse man sich (einfach) an einen Tisch setzen und zusammenarbeiten „und Vorurteile abbauen“, so Lohaus.
Fremdbestimmte Diskussionen fehl am Platz
Als langjährige Journalistin ist es ihr wichtig, diejenigen zu Wort kommen zu lassen, um die es geht. Beim Thema Feminismus beteiligt sie sich selbst am Diskurs. Als Mitgründerin des Missy Magazines gilt sie als eine wichtige Vertreterin und Stimme des modernen Feminismus. Das Missy Magazin ist ihr Großprojekt. Und wenn es darin um Themen wie des Islam geht, lässt sie Musliminne zu Wort kommen. Frauen wie Lamya Kaddor.
Die Publizistin Kaddor ist Mitgründerin des Liberal-Islamischen Bundes. „Ich gehöre zu den wenigen Frauen, die einen liberalen Islam theologisch rechtfertigen“, sagte sie. Das hebt sie deshalb hervor, weil sie für eine zeitgemäße Auslegung des Islams steht, in der patriarchale Traditionen als überholt gelten. So setzt sie sich zusammen mit anderen liberalen Musliminnen für interreligiöse Eheschließungen und geschlechterübergreifende Gebete ein. Eines ihrer großen Zukunftsprojekte ist eine geschlechtergerechte Koranausgabe.
Zwar bezeichnet Kaddor sich nicht ausdrücklich als Feministin. Es gebe einige muslimische Theologinnen, die eine eigene feministische Theorie für sich proklamieren. „Der islamische Feminismus allein reicht aber nicht aus, um patriarchale Strukturen aufzubrechen.“ Genau darum, um das Aufbrechen patriarchaler Strukturen, geht es Kaddor aber. Und das verbindet sie mit Lohaus. Diese griff in ihrem Buch „Papa kann auch stillen“ im Jahre 2015 ein Dauerbrenner-Thema auf. Die Vereinbarkeit von Kind und Karriere und die Aufteilung der Betreuungszeiten sowie Hausarbeit in einer Beziehung nach der Geburt eines Kindes. „Familienarbeit“ nennt Lohaus das und die funktioniere nur mit Teamwork.
Patriarchale Strukturen sind überall wiederzufinden
Sie selbst hat sich mit ihrem Partner vor der Geburt ihres Kindes vorgenommen, alles nach dem 50/50-Prinzip aufzuteilen. Mittlerweile haben die beiden zwei Kinder und ihr Vorhaben ist aufgegangen. Lohaus wirbt für ihr Modell, auch weil sie weiß, dass sie damit in Deutschland eine Ausnahme darstellt: Immer noch bleiben mehrheitlich die Frauen nach der Geburt des Kindes zu Hause, während der Mann weiterarbeitet. Im Dorothee-Sölle-Haus schlug Lohaus hier den Bogen zu einer muslimischen Tradition: „Die Mehrheitsgesellschaft bezeichnet das Kopftuch als patriarchal, aber in der eigenen Beziehung werden solche Strukturen nicht hinterfragt“.
Nach dem etwa 50-minütigen Gespräch ging es vom Podium in den „Fishbowl“. Anstatt sich am Mikrofon vom Platz zu Wort zu melden, sollten die Teilnehmer sich in einen Stuhlkreis setzen, um etwas zur Diskussion beizutragen. So konnten sie direkt mit den beiden Podiumsgästen ins Gespräch kommen. Dieses Konzept funktionierte wie ein Kaleidoskop, nicht nur im Erscheinungsbild, sondern auch thematisch: Das Gesprächsmodell förderte die vielen Facetten der Debatte um Feminismus, Frauenrechte und Islam zutage.
Zwei Teilnehmer berichteten im Stuhlkreis von Erlebnissen mit der muslimischen Community, die auf sie befremdlich wirkten. Kaddor, die aus einer sehr traditionellen syrischen Großfamilie stammt, sagte dazu: „Für mich war es immer ein Zugestehen und die Frage, wo man Kompromisse eingehen kann. Ich kann schließlich niemanden umerziehen.“ Im Weiteren hoben Teilnehmer und Gäste gemeinsam hervor, wie divers die muslimische Welt und ihre Traditionen sind und wie groß das Spektrum zwischen liberal und konservativ ist.
Die ewige Debatte um das Kopftuch
Weil es das sichtbarste Zeichen einer Muslima ist, ging es immer wieder um das Kopftuch. „Ich kämpfe nicht für das Kopftuch oder dagegen, sondern für das Selbstbestimmungsrecht. Dass jede Frau entscheiden kann, ob sie mit oder ohne Kopftuch auf die Straße geht“ so brachte es Mitveranstaltern Canan Ulufer vom Diakonischen Werk auf den Punkt und erntete dafür Zustimmung. Kaddor sagte dazu schließlich: „Ich mag es nicht, als muslimische Frau immer über das Kopftuch reden zu müssen.“ Das Podiumsgespräch war an diesem Punkt bereits zu seinem Ende gekommen. Dieses Statement ist auch als ein kleines Fazit zu sehen, als Hinweis an die Mehrheitsgesellschaft ebenso. Über das Kopftuch zu sprechen, bringt den Feminismus nicht weiter — weder im Allgemeinen noch im Speziellen. Was ihn jedoch weiterbringen würde, da waren sich die Teilnehmerinnen einig, wäre ein Feminismus, der kulturübergreifend ist und seine Grenzen nicht zwischen den Religionen zieht.
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