„Stirbt ein Kind noch in der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt, werden seine Eltern von außen oft gar nicht als solche wahrgenommen – sie werden zu unsichtbaren Eltern“, sagt sie.
Die Sprachlosigkeit ist ein steter Begleiter nach einer Fehl- oder Totgeburt oder nach dem Tod eines Kindes in seinen ersten Lebenstagen. Nicht nur den Betroffenen selbst fehlen die Worte für dieses schreckliche Ereignis, sondern auch Angehörigen und Freunden.
Gemeinschaft mit anderen unsichtbaren Eltern
In ihrem Schmerz seien die Eltern oft besonders einsam, sagt Berg. „Jeder Verlust ist individuell, und doch gibt es eine gemeinsame Erfahrung, die in der Gemeinschaft mit anderen unsichtbaren Eltern ein tiefes Verstehen ermöglicht, ohne, dass man viel erklären muss.“
Mit der Internetseite und ihren Gesprächen mit den Betroffenen geht es der Pastorin darum, einen Raum zu schaffen, der Unsichtbarkeit und Sprachlosigkeit etwas entgegenzusetzen.
Laut statistischen Daten erleben vier von 1000 schwangeren Frauen eine Totgeburt, das heißt, sie verlieren ihr Kind nach der 23. Schwangerschaftswoche und noch vor der Geburt. Eins von 1000 geborenen Kindern stirbt in seiner ersten Lebenswoche. Vierzig von 1000 Schwangerschaften enden in einer Fehlgeburt, das heißt vor Ablauf der 23. Schwangerschaftswoche oder bei einem Gewicht von unter 500 Gramm. Da diese nicht der standesamtlichen Meldepflicht unterliegen, wird davon ausgegangen, dass die tatsächliche Zahl an Fehlgeburten höher liegt.
Pastorin Berg: Langjährige Erfahrung als Krankenhausseelsorgerin
Pastorin Berg hat als Krankenhausseelsorgerin im Geburts- und Pränatal-Zentrum der Universitätsklinik Eppendorf in Hamburg (UKE) und des Klinikums Barmbek zehn Jahre lang Mütter, Väter, Geschwister und Mitarbeitende in der existenziellen Not begleitet, wenn Kinder vor, unter oder kurz nach der Geburt sterben.
„Der Tod am Anfang des Lebens geht völlig gegen die Erwartung, auch wenn wir wissen, dass wir alle einmal sterben müssen“, sagt Berg. Eltern, die vom Verlust ihres Kindes erfahren, können unmittelbar danach nicht klar denken und fühlen sich unfähig zu handeln. „Sie funktionieren nur, oder sind wie betäubt, verzweifelt, in Panik, sprachlos und haben Angst.“
Von einem Moment auf den nächsten befinden sich die betroffenen Eltern im Abschiednehmen. Birgit Berg möchte Mütter und Väter stärken. Sie ermutigen, sich Zeit zu nehmen, auf sich selbst zu hören und möglichst alle Fragen zu stellen, die ihnen in den Sinn kommen.
Traumatisierende Verluste
Um diese meist schwer traumatisierenden Verluste besser begleiten zu können, machte Pastorin Berg eine eineinhalbjährige Weiterbildung in „Traumazentrierter Seelsorge” und einige Jahre später, nachdem sie bereits ins Friedhofspfarramt gewechselt war, eine zweijährige Traumatherapeutische Ausbildung.
Die Internetseite Nachtlichtlein.de ist ihr neustes Projekt. Ein Verein für „Unsichtbare Eltern“ befindet sich in Gründung. Neben Informationen, die eigenen Reaktionen besser verstehen zu können und zu Fragen von Bestattungsmöglichkeiten gibt es Erfahrungsberichte von Müttern und Vätern, die Not und Leid benennen und zeigen, was ihnen geholfen hat, sich wieder aufzurichten.
Birgit Berg: „In der Trauer liegt eine Kraft, die aufrichten kann, wie die Liebe zu einem Kind, das nicht im Leben bleiben konnte, weil die Liebe stärker ist als der Tod.“