Über wenige Musikgenies hat die Nachwelt derart kontrovers geurteilt wie über den heiteren Georg Philipp Telemann. Als größter Komponist neben Georg Friedrich Händel zu Lebzeiten grandios gefeiert, wurde er schon bald nach seinem Tod als Schreiber von "Fabrikware" verleumdet und vergessen.
Doch hat sich diese Einschätzung inzwischen komplett zugunsten Telemanns gedreht. Anlässlich des 250. Todestags am 25. Juni werden seine Sinfonien, Rokkoko-Suiten, Klaviermusiken und Kantaten häufiger gespielt denn je.
Die Stadt hat ihn am Sonnabend mit einem Empfang in der Michel-Krypta geehrt. Am Abend übertrug der NDR ein Konzert live aus der Hauptkirche. Zu einem Kantatengottesdienst am Sonntag luden die Hamburger Hauptkirchen nach St. Petri ein.
- Weitere Telemann-Konzerte in den kommenden Tagen und Wochen finden Sie hier. Im November ist ein Telemann-Festival geplant. Originalhandschriften und Drucke zeigt die Staatsbibliothek noch bis 28. Juni in einer Ausstellung.
Den Kopf voller Musik
Rund 3.600 Werke hat Telemann hinterlassen und ist damit einer der produktivsten Komponisten der Musikgeschichte überhaupt. Mit 1.750 Kirchenkantaten, 16 Messen, 40 Passionen, Psalmvertonungen und anderen Singstücken bildet die geistliche Vokalmusik einen Schwerpunkt.
Musikwissenschaftler bescheinigen ihm wegen des umfangreichen Oeuvres einen ungeheuren Fleiß, verweisen aber auch auf seine lange Schaffensperiode.
Telemann wurde 86 Jahre alt, er arbeitete bis zuletzt und starb in Hamburg. Eine Grabplatte vor dem Rathaus erinnert an den berühmten Musiker und Komponisten, der irgendwo hier – auf dem ehemaligen Friedhof von St. Johannis – begraben liegt.
Hauptschaffenszeit in Hamburg
1721 war Telemann in die Hansestadt gewechselt – und produktiv wie nie. Als "Director Musices" hatte er eines der angesehensten musikalischen Ämter in Deutschland inne. Zudem war er als Kantor für fünf lutherische Stadtkirchen zuständig.
Ein Jahr später übernahm er auch die Leitung der Oper und gründete 1728 die erste deutsche Musik-Zeitschrift. Selbst komponierte er rund 50 Opern, wovon viele verschollen sind.
In Hamburg entstand die bei der 100-Jahr-Feier der Admiralität aufgeführte "Wasser-Ouvertüre", die "Hamburger Ebb' und Flut". Dabei zeigte Telemann aufs Neue, wie sehr er die Tonmalerei liebte: Plätschernde Nymphen sind zu hören und die lauen Winde des Zephyr im Menuett.
Empfindsame und heitere Gelassenheit kennzeichnen sein Spätwerk, etwa die Sinfonie "Die Tageszeiten" (1757). Er widmete sich seinem Garten, spricht von seiner "Unersättlichkeit in Hyazinthen und Tulpen".
"Telemann war ein Großer seiner Zeit, ein weltgewandter, aufgeklärter Musiker von überbordender Schaffenskraft", resümiert der Musikwissenschaftler Hermann Max. Und der Komponist Wolfgang Rihm lobt: Erfinderisch und experimentierfreudig sei Telemann gewesen, wie damals kein anderer: "ein Avantgardist seiner Zeit".
Wer war Telemann?
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Georg Philipp Telemann, am 24. März 1681 in eine gebildete Magdeburger Pastorenfamilie hineingeboren, war ein schulisch frühreifes Wunderkind. Der Mutter gefiel das gar nicht. Um den Jungen von der Musik abzubringen, wurden seine Instrumente kurzerhand beschlagnahmt und er selbst auf eine andere Schule nach Zellerfeld geschickt.
Es nützte nichts: Der dortige Superintendent Caspar Calvör ermutigte ihn, weiter zu musizieren. Und auch auf dem Gymnasium in Hildesheim bildete der junge Telemann sich musikalisch weiter und erlernte - meist als Autodidakt und heimlich - Instrumente von Violine, Gambe, Oboe und Schalmei bis zu Orgel und Bassposaune.
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In Leipzig, wo er 1701 ein Jura-Studium begann, mischte er rasch in der Musikszene mit und gründete an der Uni das Laienorchester "Collegium Musicum", das Johann Sebastian Bach später weiterführen sollte. Telemann wurde als Musiker zusehends bekannt, der Juristenberuf schließlich obsolet.
Nach Zwischenstationen in Sorau und Eisenach kam Telemann 1712 als städtischer Musikdirektor und Kapellmeister der Barfüßer- und Katharinenkirche nach Frankfurt am Main. Hier heiratete er, nachdem seine erste Frau im Kindbett gestorben war, zum zweiten Mal: die 16-Jährige Maria Catharina Textor, Tochter eines Ratskornschreibers.
Telemann komponierte in Frankfurt vor allem Kantaten, Oratorien, Orchester und Kammermusik. In "Alles redet itzt und singet" kommt seine große Liebe zur Natur zum Ausdruck: Das "Singgedicht im Frühling" ist nach einem Libretto des Ratsherrn und Dichters Barthold Heinrich Brockes (1680-1747) geschrieben, der Religiosität und genaue sinnliche Naturbeobachtung verbinden möchte.