Diese scheinbar banale Erkenntnis muss man sich gerade heute immer wieder ins Gedächtnis rufen. Von Weihnachten bis Ostern durchzieht die enge Verbindung von Leib und Seele das Leben und Wirken von Jesus Christus. Die biblischen Erzählungen betonen, dass das Grab leer war, dass er wahrhaftig auferstanden ist. Diese leibliche Wahrhaftigkeit am Ostergeschehen hat über alle Zeiten hin die Menschen herausgefordert und auch irritiert. Dies gilt allemal heutzutage, wo in unserer Gesellschaft Geist und Körper immer stärker voneinander abgekoppelt werden.
Der wahre Leib als lästige Realität
Was unter dem Stichwort ‚Digitalisierung‘ an tiefgreifender Veränderung in der Arbeitswelt und Kommunikation stattfindet, geht einher mit einer zunehmenden ‚Körperlosigkeit‘. Muskelkraft wird immer seltener gebraucht, und Gespräche und Begegnungen werden zunehmend in den virtuellen Raum verlagert. Zwar ist auch dort der Körper als sorgsam gestyltes Profilbild noch wichtig. Der wahre Leib wird dagegen immer öfter als lästige Realität betrachtet, gerade wenn er bedürftig und schwach ist. So ist es folgerichtig, dass die nächste Stufe der Digitalisierung mit künstlicher Intelligenz und nimmermüden Robotern die menschliche Körperlichkeit weiter zurückdrängen wird.
Auch wenn solche Errungenschaften das Leben erleichtern, darf diese Entwicklung die zwischenmenschliche Begegnung nicht überflüssig machen. Sie muss menschliches Maß wahren, und wo es human zugehen soll, darf sich der Geist nicht vom Körper abkoppeln. Auch Jesus selbst hat geheilt und getröstet, umarmt, gefühlt und Mitleid gezeigt. Dazu braucht es ein lebendiges Gegenüber. Wir brauchen menschliches Mitgefühl, das keine Maschine und kein Algorithmus erzeugen kann. Und wir brauchen menschliche Hände, um in dieser Welt Barmherzigkeit wirksam werden zu lassen.
Information: Am Ostersonntag (1. April) predigt Bischöfin Fehrs im Gottesdienst um 10 Uhr in der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis.