Kühl ist es in Hamburg am ersten Öffnungstag des Turmcafés. Heidi Ehrhardt, die das kirchliche Projekt 22 Jahre lang organisiert hat, sitzt auf halber Höhe im zugigen Treppenhaus und sammelt einen Euro pro Besucher ein. „Für die Fahrstuhl-Wartung“, erklärt sie. Die meisten Gäste zahlen den kleinen Obolus bereitwillig. Nach 93 Treppenstufen sind sie aus der Puste und froh darüber, das letzte Stück zur Turmplattform per Lift empor zu steigen.
Am Ziel, auf 84 Meter Höhe, hat das aktuelle Turmcafé-Team, das seit drei Jahren im Amt ist, bereits alles liebevoll vorbereitet. Auf dem Buffet stehen appetitlich angerichtete Köstlichkeiten. Unter Kühlhauben wartet auf einer Wendeltreppe weiterer Nachschub. „Alle 30 Kuchen sind selbstgemacht, von uns und von anderen Spenderinnen“, sagt Ilse Christiansen und ihre Mitstreiterinnen bekräftigen das eifrig nickend. Die Auswahl ist beeindruckend: Diesmal gibt es Kirsch-, Rübli-, After-Eight-, Rotwein- sowie Ananas-Torte, dazu diverse Obst- und Rührkuchen - und für alle, die es herzhaft mögen, Zwiebelkuchen.
Improvisierter Start ohne Wasser und Strom
Von 12 bis 18 Uhr kümmern sich in zwei Schichten jeweils sechs bis sieben Frauen ehrenamtlich um das Wohl der Gäste. Sie tragen blitzsaubere weiße Schürzen, schneiden Kuchen, schenken Getränke ein, räumen die Tische ab und spülen das Geschirr. Seit dem Start vor einem viertel Jahrhundert haben sich Komfort und Ausstattung des Kirchencafés deutlich verbessert. Heute gibt es auf dem Turm zwar immer noch keine Heizung, aber dafür eine kleine, praktisch eingerichtete Küche, stabile Stromleitungen und eine Mikrowelle. „Angefangen haben wir aber ganz primitiv“, erinnert sich Heidi Ehrhardt.
1989 schenkte sie beim „Fest des Glaubens“ zum ersten Mal Kaffee auf der Turmplattform aus: „Das war als einmalige, spontane Veranstaltung gedacht. Aber als wir die Stühle wieder herunter trugen, bedauerten das alle und fanden, so etwas sollte es regelmäßig geben.“ So startete Heidi Ehrhardt mit ein paar Frauen vom Chor 1990 das Projekt Turmcafé – ohne Wasser, ohne Strom, ohne Küche. Nach und nach wurden Wasserkocher und Kaffeemaschinen installiert. Doch die Arbeit des Teams blieb lange abenteuerlich: Oft knallten die Sicherungen durch, manchmal streikte der Fahrstuhl oder nervten die Tauben. „Aber wir wussten uns immer zu helfen“, sagt die Gründerin entschieden.
Gute Aussichten für Gäste und Spendenempfänger
Auch am 2. Mai ist wieder ein bisschen Improvisations-Talent gefragt. „Als wir heute morgen in die Küche kamen, fehlten die Stöpsel in den Spülbecken“, erzählt Ilse Christiansen. Da es keine Spülmaschine gibt, mussten schnell Schüsseln organisiert werden. Die Gäste haben diese kleine Panne gar nicht bemerkt. Sie genießen einfach die leckeren Torten und den tollen Turmblick.
Mareike Springer, die in Hamburg aufgewachsen ist und jetzt in Bamberg studiert, teilt sich einen Apfelkuchen mit ihrer süddeutschen Kommilitonin Ann-Charlott Stegbauer. „Wir wandeln für ein Wochenende auf den Spuren von Mareikes Kindheit und Jugend“, scherzt Ann-Charlott. Weil im Café alle Sitzplätze belegt sind, stehen die beiden draußen auf dem überdachten Umgang: „Von hier aus kann man sich einen perfekten Überblick verschaffen“, freuen sie sich.
Freude schenkt das emsige Team vom Turm aber nicht nur seinen bis zu 400 Tages-Gästen. Die Einnahmen jedes Café-Samstages tragen auch zum Glück von Menschen bei, die es im Leben nicht so gut getroffen haben. Als Spende fließen sie unter anderem zur Suppenküche St. Georg, zum Hoffnungsort Haus Jona und zum Förderverein Kinderleben.
Nächste Turmcafé-Termine:
6. Juni, 4. Juli, 1. August, 5. September, 10. Oktober.
Öffnungszeiten: 12 bis 18 Uhr. Reservierungen sind nicht möglich.
Für Gehbehinderte, steht ein Sonderfahrstuhl zur Verfügung.
Neue ehrenamtliche Helferinnen sind willkommen.