Denken - Glauben - Vorurteile Performer-Gruppe konfrontiert Kirche mit Kant

Was ist Aufklärung im Sinne von Immanuel Kant? Solch schwere philosophische Kost haben sich die jungen Laien-Schauspieler für ihre Performance "Playing Kant" ausgesucht. Acht Darsteller in schwarzer Kluft versuchen szenisch darzustellen, welche Auswirkungen die Vernunft oder das Fehlen jeglicher Vernunft auf unseren Alltag haben kann. Dabei hinterfragen sie überkommene Strukturen, sei es in der Beichte oder in der Schulpädagogik oder beim simplen Witzeerzählen. Manchmal entsteht geradezu ein Gefühl der Beklemmung, wenn der Fokus immer wieder auf frauen- oder männerverachtende Klischees gerichtet wird. Akteurin Karolina Peitrek (20) erklärt, dass hier eine Reaktion vom Publikum durchaus erwünscht sei. Denn Klischees auch in Witzen behinderten eben das eigene Denken. Und Kollege Julien Nägelen (22) ergänzt, dass die Menschen eben die Wahl hätten. Jeder könne Wahrheiten hinterfragen und sich von Vormündern lossagen, um selbst anfangen zu denken. Aufklärung sei nicht nur eine angestaubte Sache aus dem 18. Jahrhundert, sondern findet immer wieder neu statt.

 

Nach mehreren Wochen der Textschmiede und Bühnenprobe vor dem Altar präsentieren die jungen Philosophie- und Theaterbegeisterten in der Kulturkirche St. Johannis in Altona das Ergebnis. Grundlage für das theatrale Philosophieren ist der Aufsatz von Immanuel Kant "Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung".

 

"Playing Kant" ist nach Aufführungen über die Philosophie Nietzsches und Karl Marx "Das Kapital" bereits die dritte Performance in der St. Johanniskirche. Christian Gefert, Philosoph und Regisseur setzt auf ein Philosophie-interessiertes Publikum. Dies sei kein Musical, sondern eine Kampfschrift der Aufklärung. Die Fragen, die sich der große Religionskritische Denker über die Vernunft gestellt hat, kehren zu allen Zeiten wieder.

 

Von Anfang an unterstützt haben Pastor Ulrich Hentschel und die Gemeinde Altona-Ost das Projekt, das manchen Kirchenbesucher den Atem stocken lässt. Die Konfrontation von atheistischen Thesen mit einem sakralen Raum hat mittlerweile Tradition. "Bis heute bleibt die Frage spannend, ob und wie sich christlicher Glaube mit der selbstbewussten Emanzipation des Menschen verträgt“, begründet Pastor Hentschel die Entscheidung diesem kritischen Projekt wieder die Kirchentür zu öffnen.

 

Die Methode „Theatrales Philosophieren“, mit der die Performer unter der Leitung von Christian Gefert arbeiten, ist von ihm selbst entwickelt und vielfach erfolgreich erprobt. Ein Drehbuch gibt es nicht, die theatrale Annäherung an den philosophischen Text erfolgt in erster Linie durch Improvisationen. „Wir gehen in einen intensiven Prozess und erarbeiten Körper-Bilder zu den philosophischen Thesen. Motor sind dabei immer auch die eigenen Erfahrungen, die eigene Perspektive." So spielte bei dem Marx-Projekt, in dem es z.B. um Unterdrückung ging, das Thema „Familie“ eine wichtige Rolle. Der Bezug war laut Gefert unmittelbar nachvollziehbar, denn alle Menschen haben eine Familie - und für Marx sei die bürgerliche Familie ein wichtiger Bezugspunkt seiner Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen. Auch Menschen, für die Philosophie eher fremd ist, finden über „Playing Kant“ einen spannenden Zugang und können die Bedeutung eines Philosophen für das eigene Leben und unsere Gesellschaft auf eine ganz ungewohnte Weise ausloten.

 

Für weitere Informationen:

Pastor Ulrich Hentschel

Ev.-Luth. Kirchengemeinde Altona-Ost

Tel. 040 - 42 91 08 70

 

(mk/bk)