Dabei war, so Linck, der Umgang der vier ehemaligen evangelischen Landeskirchen von Eutin, Lübeck, Schleswig-Holstein und Hamburg mit ihrer Geschichte durchaus unterschiedlich.
Während in der Lübecker Landeskirche eine Entnazifizierung stattfand, die in ihrer Gründlichkeit in Deutschland einzigartig war, wurden von der Eutiner Landeskirche ehemalige Nazi-Bischöfe als Pastoren eingestellt.
Gleichzeitig begann in Hamburg schon früh ein christlich-jüdischer Dialog, während die Schleswig-Holsteinische Landeskirche noch 1960 mit einem Antisemitismus-Skandal Schlagzeilen machte.
Häufig kirchliche Fürsprache für NS-Verbrecher
Nach Lincks Recherchen setzte sich die evangelische Kirche bereits 1949 pauschal für die Freilassung inhaftierter Kriegsverbrecher ein, allen voran die Bischöfe. Ein Beispiel ist der Kieler Bischof Wilhelm Halfmann. Er setzte sich beispielsweise für den Generalarzt der SS, Karl Genzken, ein. Pastorensohn Genzken war im Nürnberger Ärzteprozess wegen seiner Menschenversuche in KZs zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Auch für den ehemaligen SS-Polizeiführer für Estland, Hinrich Möller, machte sich Halfmann stark.
Der Schleswiger Bischof Reinhard Wester, der während der NS-Zeit als Anhänger der Bekennenden Kirche selbst zeitweise in Haft war, setzte sich für Carl Oberg ein. Dieser war als Polizeiführer von Paris verantwortlich für die Verschleppung von 70.000 französischen Juden und von zwei Gerichten zum Tode verurteilt.
Erst in den 60er Jahren änderte sich die kirchliche Haltung. Mehrere Skandale über die Karrieren von NS-Verbrechern wurden öffentlich. Ausgehend von der Evangelischen Kirche in Deutschland begann man auch in Schleswig Holstein, sich der Vergangenheit zu stellen.
Stephan Linck untersucht den Umgang der Kirche mit ihrer NS-Vergangenheit im Auftrag der Kirchenleitung der Nordkirche. Seine Studie erstreckt sich zur Zeit auf den Zeitraum 1945-1965. 2015 soll ein Folgeband erscheinen, der die Zeit bis zur Wiedervereinigung 1989 in den Blick nimmt.
Stephan Linck, "Neue Anfänge? Der Umgang der Evangelischen Kirche mit der NS-Vergangenheit und ihr Verhältnis zum Judentum", Kiel 2013, 352 Seiten