Expertenkommisson gegründet Nordkirche will Missbrauchsfälle umfassend aufarbeiten

Anselm Kohn, 1. Vorsitzender des Vereins "Missbrauch in Ahrensburg", begrüßte die Beschlüsse. Dies seien "Meilensteine der Aufarbeitung", sagte er. Zwar könne es keiner Kommission der Welt gelingen, alle Wahrheit ans Licht zu bringen. Er habe aber die Hoffnung, "dass ein Bild entsteht, das Verstehen ermöglicht".

 

Der Ahrensburger Pastor Dieter K. soll seit Anfang der 70er Jahre über Jahrzehnte hinweg Jugendliche missbraucht haben. 13 Opfer haben sich mittlerweile bei der Kirche gemeldet. Öffentlich bekannt wurden die Taten erst 2010, als ein Opfer einen Brief an die damalige Hamburger Bischöfin Maria Jepsen schickte. Pastor K. gestand die Taten und quittierte den Kirchendienst. Bischöfin Jepsen trat im Juli 2010 zurück.

 

Opfer um Verzeihung bitten

"Eine traumatisierte Institution kann sich nicht selbst analysieren", sagte Bischöfin Fehrs weiter. Dafür brauche es Experten von außen. Zugleich wolle sich die Nordkirche "nicht distanzieren, sondern auseinandersetzen". Dies gelte auch für die Unterstützungsleistungen, die in einem zweistufigen Verfahren individuell auf Betroffene zugeschnitten werden sollen. "Wir wollen die Opfer um Verzeihung bitten, als tätige Reue", sagte Fehrs. Die Unterstützung könne Finanz- und Sachleistungen umschließen, konkrete Summen seien nicht festgelegt worden. Es stehe ein ausreichender Sonderfonds zur Verfügung.

 

Zur neuen Experten-Kommission gehören Ursula Enders (Mitbegründerin und langjährige Leiterin von "Zartbitter Köln" e.V.), Julia Zinsmeister (Professorin für Zivil- und Sozialrecht an der Fachhochschule Köln), die beiden Bonner Rechtsanwältinnen Petra Ladenburger und Martina Loersch sowie der Hamburger Erziehungswissenschaftler Dirk Bange.

 

Präventiv-Konzepte erstellen

Enders kündigte an, nicht nur die Missbrauchs-Opfer, sondern auch die Kirchengemeinden in den Focus nehmen zu wollen. Es gelte, Präventiv-Konzepte zu erstellen und bei den Auswirkungen sexualisierter Gewalt nicht nur Einzelne, sondern "die ganze Institution Kirche" in den Blick zu nehmen. Dies sei "ein Novum für Deutschland", betonte sie.

 

Hauptpastorin und Pröpstin Ulrike Murmann begrüßte für den Kirchenkreis Hamburg-Ost die beiden Kirchenleitungs-Beschlüsse ausdrücklich. Damit sei es gelungen, den Betroffenen "eine angemessene Unterstützung für ihr erlittenes Leid eröffnen zu können". Von der Expertenkommission erhoffe sie sich wertvolle Hinweise auch für das eigene Präventionskonzept, an dem seit über einem Jahr intensiv gearbeitet werde.

 

Ermittlungen gegen Altbischöfe

Die jüngsten Veröffentlichungen über die Aufnahme kriminalpolizeilicher Ermittlungen gegen zwei nordelbische Altbischöfe, eine Ex-Pröpstin und den ehemaligen Personalchef des Kieler Kirchenamtes wollte Bischöfin Fehrs weder kommentieren noch bewerten. Da es sich offenbar um Vorermittlungen handele, sei die Nordkirche "weder informiert noch beteiligt", sagte sie. Missbrauchs-Expertin Ursula Enders sagte über die Ermittlungen: Es sei "immer gut und richtig, dass die Dinge auf den Tisch kommen und geklärt werden." Andererseits gelte, dass der "Automatismus von Strafanzeigen" oft zum Schweigen der Opfer führe.

 

Heftige Kritik an der Strafanzeige, die den Ermittlungen der Lübecker Kripo zugrunde liegt, äußerte Missbrauchs-Vereinsvorsitzender Anselm Kohn. Die Anzeige stamme von zwei ehemaligen Mitgliedern seines Vereins und sei "ein Rückschritt", sagte er. Wichtiger sei, "miteinander in der Sache weiterzukommen". Dazu gehörten auch die jetzt zugesagten Unterstützungsleistungen. Deren möglichen Umfang beschrieb Kohn mit der Losung des Hamburger Kirchentages 2013: "Soviel du brauchst." Die Bischöfin nickte dazu.