Die Helfer werden bei jeder Ankunft freudig begrüßt. "Die Barkasse ist unter den Binnenschiffern bekannt", sagt Christel Zeidler. Sie leitet die Binnenschiffer-Seelsorge, die angebunden ist an die Flussschifferkirche. Viele der Schiffer kennt sie persönlich. "Wie viele seid Ihr heute an Bord?", fragt sie und zählt die Tüten entsprechend ab. "Könnt Ihr über Weihnachten nach Hause fahren? Wie lange seid Ihr schon unterwegs?" Das wichtigste sei die Seelsorge, sagt sie. "Die Menschen freuen sich sehr über die Abwechslung vom oft einsamen Alltag und ein paar nette Worte."
Seelsorger, Schiffsführer und Festmacher arbeiten ehrenamtlich
Wie viele Schiffe es genau sein werden, weiß das Team vorher nicht. Der Schiffsführer guckt morgens im Internet nach, wie viele Binnenschiffe in Finkenwerder, Rothenburgsort und Harburg liegen und legt danach die Route fest. An Bord der "Johann Hinrich Wichern" sind immer ein Seelsorger, ein Schiffsführer und ein Festmacher. Alle arbeiten ehrenamtlich. Insgesamt besteht das Team der Binnenschiffer-Seelsorge aus zwölf Helfern. Mit der kleinen blau-weißen Barkasse von 1975 steuern sie knapp 1.500 Binnenschiffe pro Jahr an und erreichen damit bis zu 3.500 Menschen. Die meisten kommen aus Deutschland, Polen oder Tschechien. Darum gibt es neben der Schokolade auch immer polnische, tschechische und internationale Zeitungen.
Die Binnenschiffer-Seelsorge startet im Frühjahr und ist durchgehend bis zum Nikolaustag jede Woche an zwei festen Tagen unterwegs. Unterstützt wird das Projekt von der Diakonie-Stiftung "Rauhes Haus". Dessen Gründer Johann Hinrich Wichern, nach dem die Barkasse benannt wurde, hat die Binnenschiffer-Seelsorge ins Leben gerufen.
Binnenschiffer-Seelsorge und Seemannsmission arbeiten zusammen
Auch die Hamburger Seemannsmission gründet auf Wichern, weiß Seemannspastor Matthias Ristau. Er ist in der Nordkirche zuständig für die seelsorgerliche Begleitung der Crews von Hochsee-Schiffen. Zudem koordiniert er die Arbeit der sechs selbstständigen Vereine der Seemannsmission in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Er ist einen Tag vor dem Nikolaustag zu Gast an Bord der "Johann Hinrich Wichern" und unterstützt das Team der Binnenschiffer-Seelsorge. "Wir haben so ähnliche Tätigkeitsfelder im Hafen, da gucken wir seit einiger Zeit, wie wir in Zukunft enger zusammen arbeiten können."
Ihm fallen sofort Parallelen auf: Er höre häufig von den Crews kleiner Containerschiffe, dass sie sich gegenüber den großen benachteiligt fühlen. "Und so geht es den Binnenschiffern auch." Generell seien die Probleme der Seeleute selten im Blick. "Von außen sieht man eben nur das Schiff." Darum besucht auch er einmal pro Woche drei bis fünf Hochsee-Schiffe - allerdings steuert er sie von Land aus an. "Mit einer kleinen Barkasse kämen wir von Wasserseite aus gar nicht auf so ein großes Schiff." Ristau gestaltet auf Wunsch auch Gottesdienste an Bord, beispielsweise wenn ein Crew-Mitglied gestorben ist.
Die letzte Fahrt
Die Barkasse macht gegen Mittag neben dem letzten Schiff für heute fest. Die "Werra" löscht gerade ihre Ladung: Mehl. Sie liegt im Reiherstieg, direkt vorm Getreideterminal. Darius Giergowski und Andrej Wolniszewski aus Polen freuen sich über den Besuch und präsentieren stolz ihren beleuchteten Mini-Weihnachtsbaum am Bug des Schiffes. "Die letzte Fahrt in diesem Jahr? Schade", sagen sie. "Wir freuen uns auf Euren Besuch im nächsten Jahr!"
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Liegeplatz der Flussschifferkirche:
Hohe Brücke 2, 20459 Hamburg
(Nähe U-Bahn Baumwall)