Köpfe des Kirchentags II Muslimischer Arzt engagiert sich für interreligiösen Dialog

Sich selbst sieht Yoldas als "anatolischen Hanseaten". Aufgewachsen ist er in der Nähe der türkischen Stadt Kayseri. Als Zehnjähriger kam er nach Bremen, wo sein Vater zuvor Arbeit gefunden hatte. Nach dem Abitur studierte er in Hamburg Medizin und betreibt seit 2005 in Altona eine Praxis für Allgemeinmedizin mit der Zusatzqualifikation Beschneidung. Seine Frau ist gelernte Bürokauffrau und arbeitet in der Praxis. "Eine arrangierte Ehe", sagt der dreifache Familienvater offenherzig. "Das beste, was mir passieren konnte."

 

Der Islam gehört zu Deutschland

Seine Freizeit widmet er dem Islam. In etwa einem Dutzend Vereine ist Yoldas aktiv. "Wie kann jemand behaupten, der Islam gehöre nicht zu Deutschland?", fragt er entrüstet. Wer die Wurzeln der europäischen Kultur in Griechenland und Rom sehe, habe offenbar vergessen, dass arabische Wissenschaftler die antiken Texte übertragen haben. Blutkreislauf und Immunsystem seien von arabischen Ärzten entdeckt worden. Worte wie Alkohol, Matratze, Sofa oder Zucker stammten aus dem Arabischen - von den Ziffern ganz zu schweigen.

 

Dennoch würden Muslime immer noch an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Die Lebenserwartung der türkischen Einwanderer sei wegen der meist schlechteren Arbeitsbedingungen um rund 20 Jahre geringer als die der Deutschen. Sie müssten GEZ-Gebühren zahlen, auch wenn sie in den öffentlich-rechtlichen Sendern kaum präsent seien.

 

Doch Yoldas ruft auch Kritiker auf den Plan. Er ist Mitglied bei der muslimischen Gemeinschaft "Milli Görüs", die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Er war Vorsitzender der "Internationalen Humanitären Hilfsorganisation" (IHH), die 2010 vom Bundesinnenminister verboten wurde, weil sie mit ihrer Kinderhilfe in Gaza die israelfeindliche Hamas unterstützt haben soll. Doch Yoldas nimmt es mit Gelassenheit: "Ich bin eben ein gefährlicher Mann", sagt er mit einem Lächeln.

 

Stattdessen spricht er lieber von den vielen Theologen und Politikern, die die Integration tatkräftig unterstützen. Dass eine muslimische Gemeinde jetzt die ehemalige evangelische Kapernaum-Kirche nutzen kann, sei auch der besonnenen Haltung der Nordkirche und von Bischöfin Kirsten Fehrs zu verdanken. Die Verträge des Senats mit den muslimischen Gemeinschaften betrachtet er als großen Erfolg der Integrationsbemühungen. Ohnehin sieht er Muslime, Christen und Juden auf einem gemeinsamen Weg. Nie käme ihm ein böses Wort über Mose, Maria oder Jesus über die Lippen, sagt Yoldas. Schließlich stünden ihre Geschichten auch im Koran. "Wir sind das jüngste Kind einer großen Familie."