Fachtagung über sexualisierte Gewalt Missbrauch und die Mechanismen der Angst

Zwei Jahre nach Aufdeckung der sexuellen Übergriffe in den 80er Jahren habe die Kirche lernen müssen, ihre Schuld gegenüber den Opfern einzuräumen und mit ihnen auf Augenhöhe zu sprechen, sagte die Bischöfin. Sie verstehe mittlerweile, dass manchen Opfern der Wunsch der Kirche nach Versöhnung zu früh komme.

 

Vertuscht oder heruntergespielt

Die Traumatherapeutin Ursula Enders (Zartbitter e.V. in Köln) zeigt das Dilemma der Opfer auf, denen oft nur ein bisschen geglaubt wird. Dann aber werde vertuscht und der Übergriff heruntergespielt oder als einmalig hingestellt. Das Problem der Institution: "Je näher sie dran sind, um so weniger sehen sie", erklärte die Traumatherapeutin. Deshalb brauche es Hilfe von Außen, Fachberatung und viele Hundert Stunden Krisenintervention im konkreten Fall. Denn es müsse geklärt werden, wie der Täter vorging und einschüchterte, wer seine Opfer sind, und wie denen konkret geholfen werden könne. Sonst könnten die vom Täter geschaffenen Mechanismen der Angst in der Institution weiterwirken.

 

Die Kirche sei ebenso wie Sportverein oder Schule anfällig für sexuellen Missbrauch, weil zur Kinder- und Jugendarbeit menschliche Nähe gehöre, sagte Enders weiter. Ein "Leitungsvakuum" in evangelischen Einrichtungen sei außerdem idealer Nährboden für Täter. Vorschnelle Vorbeugemaßnahmen ohne eine angemessene Aufarbeitung würde weitere Gewalt eher befördern.

 

Wie vielschichtig das Thema sei, erklärte sie mit dem Beispiel, dass Kindern gesagt werde, sie sollten lernen, „nein“ zu sagen. Damit würde den jungen Opfern die Schuld zugewiesen – dabei tragen die Erwachsenen die Verantwortung. Die Kinder könnten nur gestärkt werden.

 

Die Masken der Täter

Die Täter und Täterinnen tragen oft verschiedene Masken: die des sozial Engagierten, des Dauerjugendlichen oder des sozial Schrägen, um nur einige zu nennen. Hauptstrategie der Täter sei es, dem Opfer Angst zu machen. Oft genügten schon kleine Gesten, damit das Opfer erneut traumatisiert wird. Deshalb plädiert Enders für ein totales Kontaktverbot von Täter und Opfer, auch keine Briefe. Außerdem sollten mindestens 40 Kilometer zwischen den Wohnorten von Täter und Opfer liegen, um einen zufälligen Kontakt zu vermeiden.

 

Anselm Kohn, Vorsitzender des Vereins "Missbrauch in Ahrensburg", sagt er sei begeistert von der offenen Diskussion. Er beobachte in der Kirche einen Bewusstseinswandel und sei zuversichtlich, dass ein "Weg der Heilung" gefunden werde. Auch Susanne Jensen, Pastorin und Missbrauchsopfer, sieht Hoffnungszeichen für die Aufarbeitung. Die Kirche könne nur gewinnen, wenn sie sich dem Missbrauch stelle.

 

In Workshops konnten die Kirchenmitarbeiter mit Fachkräften verschiedenen Fragen nachgehen. Etwa wie eine opfergerechte Aufarbeitung aussehen könnte, wie die Täterstrategien erkannt werden oder wie die Kirche mit ihren komplexen Strukturen mit Missbrauch in den eigenen Reihen umgehen sollte.