Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs kündigte nach der Vorstellung des Berichtes konkrete Maßnahmen an. Mit einem vorläufigen Zehn-Punkte-Plan ziehe die Kirche weitere Konsequenzen aus den rund 155 Empfehlungen der Kommission. Der Bericht sowie der vorläufige Zehn-Punkte-Plan sind im Internet abrufbar.
„Wir werden uns mit Verstand und Herz dafür einsetzen, dass in Gemeinden Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt geschützt werden“, sagte Fehrs. Unter anderem soll das Beschwerdemanagement verbessert und die Arbeit der Beratungs- und Hilfestellen ausgeweitet werden. Auch überarbeitete Richtlinien zur Jugendarbeit sind geplant. Geprüft werde darüber hinaus eine Trennung zwischen Seelsorge und Dienstaufsicht von Pröpsten.
Anlass für den Bericht waren Vorfälle in den 70er und 80er Jahren in einer Kirchengemeinde in Ahrensburg, die 2010 erstmals einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurden. In deren Folge war die Hamburger Bischofin Maria Jepsen zurückgetreten.
"Ein Thema, das an die Seele geht"
Untersucht wurden sechs Fälle in Gemeinden und einer Kita. Neun Opfer, 24 Zeitzeugen und 16 kirchliche Mitarbeiter wurden für den Bericht intensiv befragt. Für den juristischen Teil wurden 16 Disziplinarverfahren geprüft, die sich auf Taten zwischen 1973 und 2011 bezogen.
Es sei ein "furchtbares Thema, das an die Seele geht", sagte Fehrs. Es handle sich zwar um Taten Einzelner. Doch die Kirche haben den Tätern „in die Hände gespielt“: „Wir als Institution sind schuldig geworden.“ Jetzt ginge es darum, mit „aller Konsequenz aus den Vorgängen zu lernen."
Die Kirchenleitung habe ein Disziplinarverfahren gegen eine Ruhestandsgeistliche in Aussicht gestellt und entsprechende Ermittlungen in Auftrag gegeben. Fehler habe es allerdings auf allen Ebenen der Gemeinde gegeben, sagte die Mitautorin und Rechtsanwältin Martina Lörsch. Auch die Lokalpresse habe Hinweise erhalten und sei ihnen nicht nachgegangen.
Krisenintervention wird ausgebaut
Fehrs kündigte an, die Nordkirche werde ihr Vorgehen gegen sexuelle Übergriffe und Grenzverletzungen ausweiten. So sei vorgesehen, eine fachlich qualifizierte Beschwerdestelle einzurichten. Diese solle eine bereits im Aufbau befindliche externe Ombudsstelle ergänzen. Auch die Krisenintervention vor Ort soll mit Unterstützung von Fachleuten ausgebaut werden.
Die seit 2013 bestehende Koordinierungsstelle der Nordkirche soll Aufgaben einer „Arbeitsstelle für sexualisierte Gewalt“ übernehmen. Experten, die psychosoziale oder traumatherapeutische Fachkompetenz mitbringen, sollen die Arbeit ergänzen. Solche Fachleute stärker in die kirchliche Arbeit einzubeziehen - auch das hatte die Kommission der Kirche mit auf den Weg gegeben.
Wichtig sei eine schnelle und qualifizierte Reaktion, sagte Ursula Enders, Mitautorin des Berichts und Leiterin der Beratungsstelle "Zartbitter" in Köln. Hier seien auch bei dem jüngsten Missbrauchsfall in einer Hamburger Kita Fehler gemacht worden. Enders: "Das erste Telefonat ist entscheidend."
Außerdem sollen neue Richtlinien für die Kinder- und Jugendarbeit erlassen werden. Neben einem erweiterten Führungszeugnis soll arbeitsrechtlich festgeschrieben werden, dass sexuelle Beziehungen zwischen Jugendlichen und Mitarbeitenden strikt verboten sind.
Sie sei dankbar dafür, dass sich die Kirche so offen den Vorgängen stelle, sagte Corinna Boller, eine Betroffene, die mit ihrem Brief an Alt-Bischöfin Maria Jepsen 2010 den Stein ins Rollen gebracht hatte.
Die Hamburger Pröpstin Ulrike Murmann dankte den Opfern für ihre Offenheit bei der Aufarbeitung. Die Missbrauchsfälle würden die Gemeinde Ahrensburg bis heute prägen und hätten zu einer tiefen Spaltung geführt. "Wir sind noch lange nicht am Ziel", sagte Murmann. Für diesen Donnerstag, 16. Oktober, um 19 Uhr hat der Kirchenkreis zu einem öffentlichen Gespräch über den Bericht in die Schlosskirche nach Ahrensburg geladen.