Missionierung durch Salafisten Koran als Werbeflyer - Interview mit Islam-Professorin

Frage: Die Koran-Verteilung von Salafisten löst eine Kontroverse aus. Kritische Journalisten werden im Internet bedroht. Welche Art von Koran verteilen die Salafisten?

 

Amirpur: Ich habe nirgendwo nachlesen können, welche Übersetzung sie verteilen. Ich kann mich da nur auf Presseberichte beziehen wie den folgenden: "Die Ulmer Druckerei Ebner & Spiegel, die die kostenlosen Koran-Exemplare produziert hat, hatte die Auslieferung am Mittwoch gestoppt. Man wolle den Vorgang juristisch prüfen lassen, hatte eine Konzernsprecherin der Welt mitgeteilt. Es werde nicht gedruckt, was "extrem im Sinne von islamistisch ist". Mehrmals seien Kriminalpolizei und Verfassungsschutz in der Druckerei in Ulm gewesen. Die Beamten hätten dann aber gesagt, die Koran-Version sei "unbedenklich." Im übrigen unterscheiden sich die gängigen Übersetzungen nicht so extrem. Es geht hier lediglich um Nuancen, zudem ist die eine poetischer, die andere wissenschaftlicher.

 

Was ist denn grundsätzlich von der Aktion zu halten?

 

Seltsam mutet vor allem an, dass man das Wort Gottes wie einen Werbeflyer oder eine Wurfsendung zur Parteienwahl den Menschen in einer Fußgängerzone in die Hand drückt.

 

Warum muss der Koran interpretiert werden?

 

Weil sich die Zusammenhänge sonst nicht erschließen. Die einzelnen Verse müssen in ihrem Kontext verstanden und untersucht werde, um die für heute gültige Botschaft heraus zu kristallisieren. Das ist ein seit Jahrhunderten angewendetes Verfahren. Die "Wissenschaft von den Offenbarungsanlässen" beispielsweise gibt es schon seit Jahrhunderten. Und auch seit Jahrhunderten wird der Koran interpretiert. Deshalb gibt es eher rationalistisch, eher traditionalistisch oder mystisch ausgerichtete Kommentare.

 

Märtyrer-Ideale, Homosexuellen-Hass, Vollverschleierung für Frauen: so interpretieren Salafisten den Koran – bedroht ein neuer radikaler Islam die aufgeklärten Muslime?

 

Auf jeden Fall. Indem er ihr aufgeklärtes Islamverständnis als unrichtig klassifiziert, stellt er eine Bedrohung dar. Vor allem, wenn er sich mit Gewalt gegen dieses Islamverständnis wendet.

 

 

 

Prof. Dr. Katajun Amirpur ist Professorin für „Islamische Studien/Islamische Theologie“ an der Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg