Ungewöhnlich ist, wie Brandi seine besondere Gemeinde versorgt. Wenn er mit Karussell-Betreibern, Wahrsagern und Artisten einen Gottesdienst feiern will, muss er oft erst einmal für Ruhe sorgen. Sondern sie kommen meistens erst um halb zwölf Uhr nachts nach einem harten Arbeitstag im Bierzelt zusammen, und da gibt es viel zu erzählen. "Dann sitzen sie da mit einem Bier oder einer Weinschorle und rauchen vielleicht eine Zigarette", sagt Brandi, der im Hauptamt in der Ausbildung von Pastoren tätig ist.
Wie eine große Familie
Die Schausteller seien "wie eine riesengroße Familie oder ein Dorf", erzählt Brandi. Auf dem Dom predigt er ohne Kanzel und Altar. Doch dies sei ganz im Sinne Martin Luthers, s denn Kirche sei überall da, wo Gottes Wort verkündet werde, "ob in einer Garage oder auf dem Hamburger Dom".
Auch für Brandi ist es jedes Jahr eine "eigentümliche Konstellation", dass viele Schausteller ausgerechnet am Karfreitag Konfirmation oder Taufen feiern möchten. "Früher war ich Pastor der Friedenskirche, unmittelbar um die Ecke. Da hatten wir erst einen todtraurigen Gottesdienst zur Sterbestunde Jesu Christi - und draußen standen schon die Schausteller mit Zigarette und in Feierstimmung, weil für sie hinterher die Konfirmation losging."
Der 62-Jährige ist viel auf dem Dom unterwegs und hört zu - das kommt an. Zu seinen Nachtgottesdiensten kommen auch schon mal bis zu hundert Schausteller: "Das ist mehr als in so mancher Gemeinde!" Wie viele Menschen auf dem Dom evangelisch oder katholisch sind, weiß er nicht - und das sei auch nicht so wichtig. Sie alle sind durch viele Dinge vereint und in dieser Woche vor allem durch eines: den freien Karfreitag - mit Gottesdienst im Bierzelt.