Überraschende Bibelarbeit auf dem Kirchentag Kirchentag: Seit acht Jahren gebetet – Augenzeugen berichten aus Ägypten

Es zeigte sich, dass es (wieder einmal, sagte die Frau neben mir), unerwartete Überraschungen gibt. Da Dr. Kali Bahadur Rokaya, Generalssekretär Nationaler Kirchenrat von Nepal, das Land wegen der politischen Situation nicht verlassen wollte, war der Ägypter Reverend Dr. Andrea Zaki Stephanous, General Director der Coptic Evangelical Organization for Social Services aus Kairo eingesprungen. Er hatte neben seiner Mitarbeiterin Samira Luka Danial drei jungen Leute aus seiner Gemeinde mitgebracht, die mit auf dem Tahrirplatz gewesen waren.

 

„Wir ermutigen die Kirchen, alle Kirchen in Ägypten, nicht nur die evangelischen, auch die katholischen, orthodoxen, jetzt für einen zivilen Staat zu arbeiten“, sagte Danial im Gespräch mit mir. „Die Revolution war der erste Schritt – aber jetzt kommt es darauf an zu entscheiden, wie die Zukunft sein wird. Es ist eine Gefahr, dass die extrem Religiösen an die Macht kommen. Und daher müssen wir als Christen für einen säkularen Staat kämpfen!“ Sie selbst habe noch keine solche Freiheit erlebt wie jetzt. Sie sei nicht von Anfang an dabei gewesen. Sie wohne in der Nähe des Tahrirplatzes und habe lange Tage Angst gehabt für sich und ihre Familie. Aber irgendwann beschloss sie, nicht weiter im Fernsehen zuzuschauen, sondern mitzumachen. „Es war wunderbar! Eine unglaubliche Gemeinschaft, auch über die Klassen hinweg.“


Die Bibelarbeit war eine Mischung aus Bildern aus Kairo, Menschenmassen auf den Plätzen, Brücken, von romantischen, Ägypten verherrlichenden Musikvideos und zwei eindrücklichen kurzen Bekenntnissen zweier junger Menschen von der Revolution, an der sie beteiligt waren.


Bahaa Gamil sagte, vor acht Jahren hätten sie angefangen, jede Woche für das Land zu beten. „Wir beteten, dass Gott die Korruption sehe und dass er sich den Ägyptern zeige.“ Dann habe sie die tunesische Revolution inspiriert. Und da sie keinerlei Zugang zu den Medien hatten, war das Internet ihre einzige Möglichkeit. Denn die traditionellen Medien sagten lange, es seien nur wenige Menschen, die demonstrierten, es sei illegal und die Demonstranten wollten nur ökonomische Verbesseunegn. „Aber das stimmte alles nicht!“ Trotz widriger Umstände gelang es nach 18 Tagen, dass Mubarak zurücktrat. „Für mich war es wie ein Wunder!“ Jetzt gebe es für Ägypten zwei mögliche Wege: dass es ein wirklich demokratisches Land werde – oder dass es ein von religiösen Extremisten beherrschtes Land werde. „Gott wird uns helfen!“


Nihad Fares erzählte, was sie an dem biblischen Text (5. Mose 6,20) bewegt habe: „Als Moses die Menschen vor die Alternative stellte, das Leben oder den Tod zu wählen. Es gibt kein ,ein Bisschen’, kein ,Dazwischen’. Und so war es auch für mich. Ich wählte das Leben! Ich wählte die Freiheit, und zwar für alle, auch für meine Feinde“. – „We have to extend love to those, who wronged us!“ – Sie sagte, sie alle wollten ein besseres Leben, und dafür müssten sie Gott folgen, nicht als Individuen, sondern „as a people of faith“.

 

Monika Rulfs