Am Abend des Unglücks - am Abend des Absturzes der Germanwings 4U9525 auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf- bei dem 150 Menschen ums Leben kamen, versammelten sich Mitarbeiter der Fluggesellschaft Germanwings vor dem Terminal 2 des Hamburger Flughafens. Sie zündeten Teelichter an - und Grablichter.
Die meisten von ihnen waren noch jung, erst Anfang zwanzig. Frierend standen sie an diesem Abend da, neben einer Anzeigentafel und blickten ins Kerzenlicht. Traurig, waren sie, hilflos, verstört, fassungslos. Ich dachte: Wie die Jünger unter dem Kreuz Jesu.
Ich fror selber. Und ein bisschen übel war mir auch. Ich soll, nein, ich möchte helfen. Und bin doch selbst hilflos. Doch das Gefühl verging, als wir ins Gespräch kamen. Die meisten waren dankbar dafür, dass sie jemanden zum Reden hatten. Sie fühlten sich nicht arbeitsfähig. Wie sollte es weitergehen?
Der Verlust ist nicht zu verstehen
Für die Angehörigen der verstorbenen Passagiere und der Besatzung, aber auch für die Fluggesellschaft Germanwings ist Dienstag, der 24.März 2015 ein Karfreitag. Ihr Karfreitag. So wie es für die Jünger und die Sache Jesu am Karfreitag keine Zukunft mehr gab, so gibt es für die vom Unglück Betroffenen keine Zukunft mehr. Der Verlust ist nicht zu verstehen und zunächst nicht zu bewältigen. Dunkelheit, nichts als Dunkelheit.
Wir wissen von Ostern. Wir wissen, dass die Jünger nicht in der Dunkelheit geblieben sind. Wir wissen, dass ein Engel des Trostes zu ihnen gesprochen hat: „Jesus ist nicht hier im Grab. Er lebt.“
Aber das wissen wir in den Karfreitagen unseres Lebens nicht. Es ist dunkel, obwohl draußen vielleicht die Sonne scheint.
Ostern kommt im Leben nicht automatisch
Im Kirchenjahr gibt es diesen Automatismus: Ostern kommt sicher. Im wirklichen Leben gibt es ihn nicht. Es gibt nur die verzweifelte Bitte: das Gebet, dass Ostern doch kommen möge.
Am Karfreitag wissen wir nur das eine sicher: Gott friert selbst. Gott friert mit uns. Friert mit den Mitarbeitern von Germanwings draußen vor dem Terminal. Leidet mit den Angehörigen der verstorbenen Passagiere. Am Karfreitag ist Gott nur einer von uns. Nein nicht „nur“: Er ist einer von uns. Kein göttlicher Superheld, kein heroischer Retter, kein Wundertäter. Sondern ein leidender Mensch.
Gott ist uns nahe
Kann man so einem Gott vertrauen? Das fragt auch der 10jährige Oskar, der nur noch wenige Tage zu leben hat, eine Krankenschwester in dem Buch "Oskar und die Dame in Rot" von Eric Emmanuel Schmitt.
Sie reagiert mit einer Gegenfrage: Wem würde er sich näher fühlen - einem Gott, der nichts fühlt oder einem Gott, der Schmerzen hat? Oskar sagt: "Einem, der Schmerzen hat, natürlich." Doch er fügt hinzu: Wäre er so mächtig wie Gott, würde er sich um die Schmerzen drücken. Darauf antwortet die Krankenschwester: "Niemand kann sich um Schmerzen drücken. Weder Gott noch du. Weder deine Eltern noch ich."
Am Karfreitag wissen wir nur das: Gott selbst drückt sich nicht um Schmerzen. Kann es nicht und will es nicht. Und wird gerade dadurch glaub-würdig und zum Trost.
Pastor Björn Kranefuß, 55, ist seit 15 Jahren Flughafenseelsorger in Hamburg-Fuhlsbüttel. Er ist Ansprechpartner für die Reisenden, die Mitarbeiter und andere Menschen, die sich am Flughafen aufhalten – zum Beispiel, weil sie obdachlos sind. Der Flughafen sei ein Stadtteil für sich, sagt Kranefuß. „Und ich bin zuständig für alle existentiellen Fragen“. Außerdem wird er hinzugezogen, wenn es um Notfall- und Rettungspläne geht. Geistliches Zentrum ist die Flughafenkirche. Kranefuß hält hier regelmäßig Andachten und hat auch schon Paare getraut.