Diskussion - Filmfest Hamburg Jesus wäre heute Filmemacher

Anzeichen für ein neues Interesse der Filmemacher gibt es bereits länger: Der Film „Von Menschen und Göttern“ erhielt 2010 in Cannes den Hauptpreis der Jury. Tut sich da etwas zum Thema Religion ausserhalb der Kirchenmauern? Die Macher des 20. Filmfestes in Hamburg bejahen die Frage. In einer Diskussion zum Thema „Glaube im Film – Spiegel oder Herausforderung“ am Mittwochabend saßen ein israelischer Journalist, ein aus dem Iran stammender Schauspieler und ein deutscher Theologieprofessor auf der Bühne und nickten unisono mit den Häuptern: Glauben und Religion sind für die Cineasten keine Gähnthemen mehr. Auch keins, das sich nur im Entlarven der Schäden abarbeitet, die Gott und seine Stellvertreter auf Erden scheinbar anrichten. Das war das klassische Metier von Ingmar Bergmann und Zeitgenossen.

 

Glaubenspotential wird neu entdeckt

Woran liegt es, dass der totgesagte Glaube wieder Farbe bekommt und eine ganz passable Auferstehung hinkriegt? Der Theologe Hans-Jürgen Benedict präsentiert eine überraschende These: Das Zeitalter der Säkularisation ist vorbei – jetzt sind wir bei der Entsäkularisierung angekommen. Warum? Weil Menschen gemerkt haben, dass Gott nicht nur eine dunkle Seite hat und Kirche mehr zu bieten hat als schlechte Laune. „Es kommt wieder in den Blick, welches Potential an Sinn, an Gemeinschaft, an Bannung der Ängste in diesem auf Gott bezogenen Zeichensystem steckt."

 

Die Gewinn– und Verlustrechnung wird neu aufgemacht. Und siehe da: In Zeiten von kriegersichem Fundamentalismus mit religiöser Hintergrundfarbe kommt eine andere Seite von Gott, Glauben und Religion ans Licht: Glaube als Segen statt Fluch. Eine Sichtweise, die den Horizont weitet - trotz Schießschartendenken der Fundamentalisten.

 

Filmschule für orthodoxe Jüdinnen

Der Film „Das Schwein von Gaza“, hoch bepreist in Tokyo und Paris zeigt diesen Blickwechsel sogar mit einem lachenden Auge und politisch komplett inkorrekt. Liebe und Glauben und Gott in einem Atemzug: das ist neu und doch auch wieder einleuchtend. Der Schauspieler und Regisseur Rami Yazdani gerät geradezu ins Schwärmen, wenn er von seiner Sehnsucht nach mehr spirituellen Filmen spricht, die eine Arznei gegen die Vergiftung durch den weltweiten Fundamentalismus sein könnte. Kein Medium hätte bessere Chancen. Und Eldad Beck, der Korrespondent der grössten Zeitung Israels berichtet aus Jerusalem, dass es dort eine Filmschule für orthodoxe Frauen gibt – eigentlich ein Unding in einer Religion des Bilderverbotes.

 

Benedict setzt noch einen drauf: Wenn Jesus heute käme, würde er Filme machen, um seine Botschaft von Liebe und Barmherzigkeit zu verbreiten. Ob das so stimmt? Nichts ist unmöglich. In der Zwischenzeit vertreten ihn bis dahin eine ganze Menge Regisseure, die auch eine Botschaft weitersagen: Glauben reimt sich auf Leben. Auch wenn das in manchen Ohren etwas ungereimt klingt. Zu sehen ist das jedenfalls auch beim Hamburger Filmfest. Das geht noch bis Samstag: Nichts wie hin. Es lohnt sich.