Bereits im 16. Jahrhundert wird der 10. Sonntag nach Trinitatis in den lutherischen Kirchen als „Judensonntag“ begangen. Die zeitliche Nähe zum 9. Tag im jüdischen Monat Aw wurde bewusst gewählt. Dieser Tag gilt im Kalender des Judentums der Erinnerung an die großen Katastrophen seiner Geschichte: die Zerstörung des ersten wie des zweiten Tempels, die verschiedenen Vertreibungswellen, die die Juden über sich ergehen lassen mussten und schließlich auch der Holocaust im nationalsozialistischen Deutschland gehören dazu.
Statt Überheblichkeit: Gemeinsamkeit
Für die traditionelle christliche Predigt galt seit dem Mittelalter das leidvolle Schicksal der Juden als Zeichen der Strafe Gottes für den jüdischen Ungehorsam. Gepredigt wurde dies entweder als triumphale Bestätigung des christlichen Glaubens oder als warnende Mahnung an die gottesdienstliche Gemeinde. Das Wissen darum, dass beides der Beziehung zwischen den beiden Traditionen nicht gerecht wird, setzte sich erst in der Auseinandersetzung mit den grausamen Verbrechen während der Nazizeit durch.
Heute liegt der Schwerpunkt der Predigten zumeist darin, die Wurzeln der christlichen Tradition in der Frömmigkeit und der Schrift der Juden („Altes Testament“) zu entdecken, war Jesus doch ein frommer Jude seiner Zeit. Die Gemeinsamkeiten überwiegen im Glauben an den einen Gott. So liegen zum Beispiel im Glaubensbekenntnis Israels (Schma Israel, 5. Mose 6,4ff) die Grundlagen für das Doppelgebot der Liebe – Du sollst Gott lieben und Deinen nächsten wie Dich selbst –, eines der wichtigsten Texte des christlichen „Neuen Testaments“
Die Nordkirche, zu der Hamburg gehört, misst dem Dialog zwischen Juden und Christen einem hohen Stellenwert bei. Verantwortlich für diesen Dialog auf evangelischer Seite ist die Beauftragte für den jüdisch-christlichen Dialog in der Nordkirche, Pastorin Hanna Lehming.