Es wird aktuell viel über Sterbehilfe diskutiert. Was genau ist darunter zu verstehen?
Unter Sterbehilfe wird sehr viel Verschiedenes debattiert – dazu gehören auch Ängste vor Schmerzen, Einsamkeit und überhaupt vor dem Tod. Als Gesellschaft stehen wir vor völlig neuen Fragen. Die Medizin hat ganz andere Möglichkeiten, und die Formen des Zusammenlebens haben sich grundlegend verändert. Da helfen die alten Traditionen oft nur noch wenig. In der deutschen Diskussion geht es jedoch ganz spezifisch um die juristische und ethische Betrachtung der Beihilfe zum Suizid beziehungsweise zum assistierten Suizid. Dazu gehören auch die Themen Tötung auf Verlangen und die aktive Sterbehilfe.
Juristische, medizinische, ethische und auch theologische Aspekte spielen bei dieser Debatte eine Rolle. Welche Leitlinien bietet die christliche Tradition?
Sterben ist kein Tabuthema. Viele der schönsten Lieder wie "Geh aus mein Herz und suche Freud" sprechen vom Tod – und das durchaus positiv. Martin Luther sagte, dass der Sterbende den Blick nicht auf sich selbst und seine Ängste richten soll, sondern auf Christus. Als Pastorin in Hamburger Krankenhäusern habe ich oft erlebt, welche beruhigende Wirkung das Lesen von Psalmen oder das Singen von Liedern hat. Das sind für mich sehr tröstliche Erfahrungen, die mir die Angst vor dem Sterben genommen haben. Der Tod gehört zum Leben dazu.
Wenn Leben und Sterben in Gottes Hand liegen, kann man Sterbehilfe aus christlicher Sicht überhaupt gutheißen?
Das Leben ist das höchste Geschenk, das wir erhalten haben. Ich finde es deshalb richtig, dass die Kirchen insgesamt für eine Kultur des Lebens eintreten und die organisierte Sterbehilfe oder auch ein Werben für den assistierten Suizid ablehnen. Gleichzeitig gibt es aber Menschen, die das Geschenk des Lebens zurückgeben möchten, weil es für sie nur noch aus Bitternis und Leid besteht. Darauf sollten sich Theologen und Seelsorger noch mehr einstellen als bisher. Doch das kann nicht durch Gesetze geregelt werden. Vielmehr braucht es in solchen Fällen einen ganz genauen Blick und ein geschultes Gewissen.
Als Leiterin der Arbeitsstelle Ethik beschäftigen Sie sich mit medizinethischen Fragen zum Sterben. Mit welchen Themen werden Sie besonders oft konfrontiert?
Mir fällt auf, dass eine große Unsicherheit und ein Bedarf nach Austausch bestehen. Viele Menschen haben keine direkten persönlichen Erfahrungen damit, wie das Sterben geht. In meiner Kindheit verstarben meine Großeltern bei uns zu Hause, und ich habe sie auch im offenen Sarg gesehen. Diese Erfahrung habe ich ganz tief in mich aufgenommen. Auch meine Mutter verstarb zu Hause. Wir haben erlebt, wie sie sich langsam von uns trennte – und das war schmerzlich und schön zugleich.
Am 24. März findet eine Podiumsdiskussion zum Thema Sterbehilfe in der Hauptkirche St. Katharinen statt. Für wen ist diese Veranstaltung gedacht, und was erwartet die Besucher an diesem Abend?
Eingeladen sind alle, die Fragen zum Thema Sterben und Tod haben. Unsere Experten können dabei auf unterschiedliche Aspekte eingehen. Rechtsanwältin Dr. Birgit Schröder kann darüber aufklären, was juristisch erlaubt ist und was nicht. Dr. Thorsten Krause begleitet als Intensivmediziner sehr viele Menschen beim Sterben. Er weiß, was die Medizin heute erleichtern kann – aber auch, wo nach wie vor ihre Grenzen sind. Ich wünsche mir, dass die Besucher und Besucherinnen ihre persönlichen Fragen stellen. Denn wir brauchen das Gespräch über den Tod und das eigene Sterben, damit wir Ängste im Blick auf diese bewegenden Themen abbauen können.
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Podiumsgespräch zum Thema "Sterbehilfe":
am 24. März 2015, 19 Uhr
Hauptkirche St. Katharinen
Teilnehmende:
- Dr. Birgit Schröder, Fachanwältin für Medizinrecht
- Dr. Thorsten Krause, Chefarzt am Adolfstift Reinbek
- Dr. Ruth Albrecht, Kirchliche Arbeitsstelle Ethik
- Pröpstin und Hauptpastorin Dr. Ulrike Murmann (Moderation)