"Früher war ich eine Shoppingqueen", räumt Vanessa Riechmann freimütig ein. Ein Beitrag über eine Familie, die plastikfrei lebte, wurde zum Schlüsselerlebnis. "Die Blutwerte der Familie veränderten sich durch den Verzicht auf Plastik radikal, da wollte ich das auch."
Die 35-Jährige begann zu recherchieren, tauschte sich mit Freundin Erdmuthe Kriener aus. Dann fassten beide den Entschluss, mitten in Hamburg ganz ohne Müll zu leben. Kriener: "Wir haben uns da so hochgeschaukelt."
Seit Sommer 2015 vermeiden die beiden hauptberuflichen Musicaldarstellerinnen konsequent Müll. Ihr Müll der vergangenen Monate passt in ein kleines Marmeladenglas. Das ist deutlich weniger als beim durchschnittlichen Deutschen, der pro Jahr etwa 617 Kilogramm produziert.
Lebensmittel kaufen sie unverpackt auf dem Markt und stecken sie in mitgebrachte Stoffbeutel. Auch Glasbehälter haben sie dabei, denn Glas sei zu 100 Prozent recycelbar. Bei Trockenwaren ist das kein Problem.
Irritationen an der Fleischtheke
Schwieriger wird es bei Fleisch und Milchprodukten. Laut Gesetzgeber darf das mitgebrachte Gefäß nicht hinter die Theke gereicht werden. "Auf der Theke ist aber o.k.", erklärt Kriener. Verkäufer würden allerdings zunächst oft irritiert reagieren.
Riechmann mag die Konfrontation in solchen Momenten: "Ich bin jedes Mal gespannt, was passiert." Lehnt ein Verkäufer ab, Fleisch oder Käse unverpackt zu verkaufen, beginnt für sie erst der Spaß: "Dann argumentiere und streite ich."
Für Kriener ist diese Situation in neuen Läden immer wieder eine Herausforderung. Sie sei eher schüchtern und habe erst lernen müssen, selbstbewusst nach unverpackten Lebensmitteln zu fragen.
Auf der Suche nach Alltagstipps stießen sie im Internet auf Bea Johnson. Die US-Amerikanerin gilt als Begründerin der "Zero Waste"-, also "Kein-Müll"-Bewegung. Ihre Philosophie fasste sie unter fünf Begriffen zusammen: vermeiden, reduzieren, wiederverwerten, reparieren und kompostieren. Ihre eigene Haltung nennen sie "grün und sexy".
Natron für Zahnpasta und Deo
Den Einwand, das sei doch viel zu zeitaufwendig und zu, hören Erdmuthe Kriener und Vanessa Riechmann am häufigsten. Das Gegenteil sei der Fall. Im Haushalt nutzen sie viel Selbstgemachtes. Aus den Grundzutaten Natron und Kokosöl wird in wenigen Sekunden Zahnpasta. Deo entsteht aus Wasser, Natron und etwas Duftstoff - dann nur noch schütteln und fertig ist es. "Wir sparen damit Müll, Zeit und Geld", sagt Kriener begeistert.
Missionieren wollen sie trotzdem nicht. Ihr Mann benutze weiterhin sein Shampoo, erzählt Riechmann. "Wir wollen zum Umdenken anregen, aber ohne Zwang", ist ihre Devise. Ihr Tipp an Einsteiger? "Nicht zu viel vornehmen."
Zwei Gewohnheiten ließen sich leicht ändern: kein Wasser kaufen und keine Plastiktüten nehmen, stattessen einen Stoffbeutel verwenden. Da können Brot und Brötchen beim Bäcker hineingepackt werden oder die losen Paprika im Supermarkt. Riechmann: „Mit solch kleinen Schritten kann man viel erreichen.“
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