„Wir Evangelen“ schreiben Sie in Ihrem Buch. Sie sehen sich also als Protestant – praktizierend oder nicht?
Jan Christof Scheibe: Ich bezeichne mich als Protestant mit ruhender Mitgliedschaft. Das heißt: Ich finde den Verein grundsympathisch, beteilige mich aber nicht aktiv am Gottesdienst oder der Gemeindearbeit.
Sie sprechen im Buch von einer „religiösen Beziehungskrise“ – die haben doch bestimmt viele Menschen, oder? Möchten Sie anderen Mut machen?
Ja, total. Darum geht es. Zweifeln gehört dazu, das sagen ja auch alle christlichen Theologen.
Also haben Sie das Buch für Protestanten wie Sie geschrieben?
Jein! Ich habe das Buch für alle Zweifler geschrieben. Also für alle, die glauben, dass es theoretisch irgendetwas gibt, das man Gott nennen kann. Für Menschen, die offen sind für neue Eindrücke, wird mein Buch ein Gewinn sein, denke ich. Für Hardliner, die mit ihrem Glauben kritiklos zufrieden sind, für Pietisten aber auch für dezidierte Atheisten ist das Buch eher nichts.
Warum haben Sie für Ihr Programm und Buch den humorvollen Zugang gewählt?
Weil ein Lächeln auf den Lippen, die Spannung nehmen kann. Wir verkrampfen uns schon genug. Da tut es gut, sich locker zu machen, um einen wirklichen Zugang zu wichtigen Themen zu finden. Eine Lehre, die ich übrigens auch aus der Begegnung mit Buddhisten ziehen konnte.
Ihr Buch zeigt: Sie kennen sich mit der Materie aus. Haben Sie viel recherchiert?
Ein Leben lang. Ich habe mich mein Leben lang schon für Spiritualität interessiert. Außerdem liegt es in meinen Genen: ich bin Sohn eines Kirchenmusikers. Meine Eltern sind in Pastorenfamilien groß geworden.
Warum ist der humorvolle Zugang in Bezug auf das Glaubensthema so selten?
Ich denke, das hat etwas mit der christlichen Auffassung zu tun, dass nur der schwere Weg auch der Richtige ist. Leichtigkeit hat hier immer den Beigeschmack von Leichtsinnigkeit. Für mich hingegen ist Leichtigkeit die hohe Schule! Jemand, der leicht durchs Leben geht, ist nicht leichtsinnig, sondern ein Mensch, der sich und seinem Umfeld einen großen Gefallen tut. Weil er das Leben nicht immer nur schwer nimmt, und seine Mitmenschen nicht mit seinem misanthropischen Gemecker auf den Wecker geht. Es ist oft alles viel zu verkopft. Ich möchte das Thema Glaube etwas „entkopfen“.
Sie hatten ja erst das Programm, das nach wie vor in Hamburg läuft. Ist das Buch das Ergebnis daraus oder ist das Buch ein Weiterdenken?
Das Buch ist eine Art Resteverwertung aus meinem Programm. Es gab sehr viele interessante Aspekte, die dort nicht hineingepasst haben, aber einen Fokus verdienen. Deshalb das Buch.
„Religiöse Menschen sind gern mal humorlos“, schreiben Sie. Oder: „Religion ist ein Auslaufmodell“. Meinen Sie, dass Sie mit Ihrem Buch jemandem auf die Füße treten? Wollen Sie das vielleicht sogar auch?
Ich provoziere in dem Buch schon ein bisschen. Nur so bekommt man ja auch eine Gegenreaktion. Von daher ist Provokation gut, wenn sie denn liebevoll ist. Ich hege eine tiefe Sympathie für die Kirche. Sie erreicht aber nicht das, was sie bei den Menschen erreichen könnte. Viele Theologen führen ihre Diskussionen leider an den Menschen vorbei. Es ist aber auch mal nötig zu schauen, wo man in den vergangenen 2000 Jahren eventuell mal falsch abgebogen ist, und sich von der eigentlichen Idee entfernt hat. Ich mag ja die Idee, dass Jesus auf die Erde zurückkehrt, und als eine Art „Michelin-Guide“ durch die Kirchen wandert, und liebevoll beurteilt, was von seiner ursprünglichen Botschaft eigentlich übrig geblieben ist.
Machen Sie mit ihrem Buch Werbung für Religion?
Um Gottes Willen. Werbung für Religion ist es auf keinen Fall. Für den Glauben schon eher.
„Kein Gott ist auch keine Lösung“ mit diesen Worten schließen Sie Ihr Buch? Sie wollen weitersuchen – das ist ein optimistischer Schluss, oder?
Es ist eine Rekapitulation meines bisherigen Lebens. Wenn man Gott sucht, wird man ihn auch finden.
Das Buch: Ogottogott – wie glaubt man und wenn ja, warum, Gütersloher Verlagshaus, 256 Seiten, 18 Euro. Zur Buchansicht auf den Seiten des Verlags geht es hier.
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